1 Einleitung
Durch die Corona-Pandemie hat sich für Beschäftigte mit wissensintensiven Tätigkeiten, die auch zu Hause ausgeführt werden können, zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten weitgehend etabliert. Durch gesetzliche Schutzmaßnahmen hatte sich der Anteil der Beschäftigten, die in Deutschland ausschließlich oder überwiegend von zu Hause arbeiten, im April 2020 vorübergehend von vier auf 27 % vervielfacht. Nach dem Ende der Homeoffice-Pflicht stabilisierte er sich auf einem gegenüber der vorpandemischen Zeit deutlich erhöhten Niveau (15 % im Juli 2021). Im Dienstleistungssektor arbeiteten im Juli 2021 35,4 % der Beschäftigten zumindest teilweise im Homeoffice, im November 2022 waren es sogar 36,1 %. Es handelt sich dabei um ein globales Phänomen. Bei einer internationalen Umfrage in 15 Staaten wurden bei höher qualifizierten Beschäftigten im Mittel 1,5 bezahlte Arbeitstage im Homeoffice pro Woche ermittelt. Deutschland liegt mit 1,4 Tagen im Mittelfeld. Das, was vor der Pandemie eher Vorgesetzten oder ausgewählten Beschäftigtengruppen vorbehalten war, ist in vielen Organisationen inzwischen weit verbreitet.
Unternehmensleitungen müssen jetzt festlegen, wie die neue Arbeitsordnung nach der Pandemie aussehen soll. Eine heiße Debatte im Sommer 2022 in der Technologiebranche zeigte das Spektrum möglicher Lösungen auf. Auf der einen Seite stand Elon Musk (Tesla): „Jeder bei Tesla muss mindestens 40 h in der Woche im Büro verbringen.“ Er begründete auf Twitter: „Sie sollen woanders so tun, als würden sie arbeiten.“ Auf der anderen Seite räumte der damalige CEO von Twitter Parag Agrawal seinen Beschäftigten die volle Wahlfreiheit ein: „Wo auch immer man sich am produktivsten und kreativsten fühlt, das ist der Ort, wo man arbeiten wird, und das schließt dauerhaftes Homeoffice ein.“ Amazon hatte seine ursprünglichen Pläne einer Vollzeit-Büropflicht rasch auf drei Tage zurückgenommen. Hintergrund für das Entgegenkommen bildete die Sorge, anderenfalls Mitarbeiter*innen zu verlieren. Microsoft und Apple orientierten sich gleich auf ein Drei-Tage-Modell oder erlaubten individuelle Arrangements.
Alles in allem möchten Arbeitgeber weniger Homeoffice anbieten, als ihre Beschäftigten einfordern. Das Management zeigt sich verunsichert hinsichtlich der Wirkung auf den sozialen Zusammenhalt ihrer Unternehmen und die möglichen Folgen für die Innovationsfähigkeit und die Unternehmenskultur. Man sei „deeply concerned about the downsides of hybrid arrangements“. Angesichts des Fachkräftemangels verfügen Beschäftigte auf den vergleichsweise privilegierten Stellen der qualifizierten Wissensarbeit jedoch über eine gute Verhandlungsposition. In einer Umfrage erklärten 32 % der Befragten in Deutschland, sie würden kündigen oder sich nach einem neuen Job umschauen, falls man sie zwänge, wieder Vollzeit im Büro zu arbeiten. Nationale und internationale Befragungen kommen zum Ergebnis, dass die Beschäftigten auf die Freiheit, einige Tage in der Woche zu Hause arbeiten zu können, nicht mehr verzichten wollen.
Als innovatives Arbeitsmodell wird „Hybrid Work“ für die „homeoffice-fähigen“ Unternehmen propagiert. Es sei angesichts der digitalen Möglichkeiten und der arbeitsmarktpolitischen Bedingungen des demografischen Wandels „alternativlos“. „Ein Zurück zum Alten ist keine Option. Die Gestaltung sollte ‚Hybrid Work‘ ins Zentrum stellen mit dem Ziel, das Beste beider Welten nutzbar zu machen für das Unternehmen und jeden Einzelnen“. Hybrid werden bei diesem Arbeitsmodell die sozialen Arbeitssituationen sein: „mit Elementen des virtuellen Arbeitens, des Arbeitens in Präsenz in Büros und Laboren und ebenso in gemischten Situationen, in denen Personen in Präsenz mit räumlich entfernten Individuen oder Gruppen über virtuelle Technologien zusammenarbeiten“. Während die frühere Diskussion Teamarbeit in Präsenz und virtuelle Teamarbeit als unterschiedliche Konzepte betrachtete, zielt die Gestaltung von hybrider Arbeit jetzt darauf ab, dass bei Workshops, Meetings und Arbeitssituationen Teammitglieder sowohl vor Ort zusammenkommen als auch virtuell zugeschaltet werden. Der Anspruch besteht darin, durch technische Lösungen eine quasi gleichberechtigte Teilhabe der virtuell Anwesenden zu ermöglichen.
Wie wir aus der Innovationsforschung wissen, wird eine Idee – wie Hybrid Work – erst dann zu einer sozialen Innovation, wenn das neue Arbeitsmodell durch Akteure in der betrieblichen Praxis realisiert wird. Im Moment ist hybride Arbeit nur eine Idee und noch keineswegs ein konzeptionell schlüssiges und nachhaltig gestaltetes Arbeitskonzept. Ob mehr daraus wird, hängt davon ab, wieweit die Unternehmen in der Lage sind, den derzeit laufenden Change Prozess zu einer hybriden Arbeitswelt zu bewältigen. Bruch geht davon aus, dass Hybrid Work einen „epochalen Umbruch in der Arbeitswelt“ bedeutet. Der intendierte Wechsel zu hybrider Arbeit ist ein komplexes Vorhaben. Aufgrund der räumlichen Verteilung und des hohen Anteils an mediengestützter Kommunikation werden sich die Arbeitsprozesse gravierend verändern, genauso wie die Unternehmenskultur und die sozialen Interaktionen und Beziehungen. Zudem erhält das Büro einen anderen Stellenwert, wenn die Hälfte der Zeit an anderen Orten gearbeitet werden soll.
Es gibt vielfältige Hemmnisse, Triebkräfte und Einflussfaktoren dieses Wandels, so dass sich unterschiedliche Lösungen ergeben können. Wir gehen davon aus, dass Unternehmen Hybrid Work nur mit einem fundierten Change Management erfolgreich realisieren können. Mit Change Management meinen wir die Gesamtheit der betrieblichen Aktivitäten, diesen Wandel zu hybrider Arbeit aktiv zu gestalten. Dabei geht es um einen geplanten Wandel von einer aktuellen Unternehmenssituation hin zu einem gewünschten zukünftigen relativ stabilen Zustand. Hybride Arbeit soll sich als Arbeitskonzept dezidiert sowohl von der früheren Situation vor der Pandemie als auch von den Notmaßnahmen während der Pandemie unterscheiden. Je nach der Fähigkeit des Managements, diesen Umbruch zu gestalten, kann sich daraus sowohl ein „wunderbares“ als auch ein „schreckliches“ Szenario ergeben.
Wir werden im nächsten Abschnitt in drei Aspekten die Veränderungen beschreiben, die sich mit hybrider Arbeit ergeben. Wir werden dabei die Herausforderungen benennen, mit denen ein Change Management von Unternehmen professionell umgehen muss. Im dritten Abschnitt wollen wir zeigen, dass diese Anforderungen nur bewältigt werden können, wenn sich auch die Change Management Praxis neu orientiert.
2 Herausforderungen durch Hybrid Work
Eine zentrale Anforderung für das Gelingen des Wandels hin zu New Work ist, dass die beiden basalen Anforderungen erfolgreicher Teams, Arbeitsgruppen oder ganzer Organisationen auch unter den neuen Bedingungen erfüllt werden können: Effektivität und sozialer Zusammenhalt. Für ein hybrides Arbeitskonzept ist ein deutlich höherer Grad an räumlich und zeitlicher Flexibilität charakteristisch. Entsprechend werden die Arbeitsprozesse, die Zusammenarbeit im Unternehmen und auch die sozialen Beziehungen durch einen höheren Grad an Virtualität geprägt sein. Aus der Forschung zur virtuellen Teamarbeit ist bekannt, dass ein höherer Grad an Virtualität eine Herausforderung sowohl für die Kohäsion als auch für die Leistungsfähigkeit von Teams darstellt. Im folgenden Abschnitt werden die daraus resultierenden Herausforderungen für eine erfolgreiche Realisierung der Idee von Hybrid Work vorgestellt. Dabei gehen wir neben Teameffektivität und Teamzusammenhalt auch auf die bei Hybrid Work intendierte Integration von physischen und virtuellen Arbeitsräumen ein. Denn diese bildet die zentrale Infrastruktur für die neue Form der Zusammenarbeit.
2.1 Teameffektivität
Hybrid Work stellt Organisationen vor das Problem, dass ein hoher Anteil an Virtualität bei der Teamarbeit die Qualität der Prozesse und der Ergebnisse der Teamarbeit gefährdet. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Teammitglieder in ihrer Aufgabenerfüllung stark voneinander abhängen und die Teamaufgabe komplex ist. Gerade bei komplexen Aufgaben, zu deren Bewältigung Teammitglieder interdependent arbeiten, d. h. tatsächlich kollaborieren müssen, ist ein hoher Grad an Virtualität im Team nachteilig. Ein kohärentes und sozial geteiltes Verständnis der Aufgabe, die laufende Abstimmung von Teilergebnissen und die Reflektion des Teamprozesses sind erschwert oder zumindest verlangsamt. Auch kann es aufgrund des höheren Kommunikationsaufwandes, vor allem in textbasierten Medien, zu einer Vernachlässigung der Beziehungsebene kommen, was den Aufbau von Vertrauen erschwert und Konflikte schwerer erkennbar und leichter eskalierbar macht.
Damit Teamarbeit effektiv ist, muss sie auf ein gemeinsames Ziel hin koordiniert werden, und zwar sowohl kognitiv, emotional als auch im Verhalten. Auf der kognitiven Ebene müssen geteilte mentale Modelle, zum Beispiel der Aufgabe, des Teamziels sowie des Teams selbst entwickelt werden. Es wird in hybriden Teams sehr viel schwieriger, Informationen gleichmäßig zu verteilen, sodass Mitarbeitende im Homeoffice u. U. nicht auf relevante Informationen zugreifen können. Dies kann die Ausbildung geteilter Repräsentationen von Aufgabe und Team erschweren. Anfällig dafür sind besonders verteilte Teams, die aus unterschiedlich großen Teilteams bestehen. Hier ergibt sich die Gefahr der Fragmentierung des Wissens und der Herausbildung von Wissensinseln. Während der Pandemie haben die Schwierigkeiten der Team-Kommunikation die Zusammenarbeit und die Zielerreichung erschwert. Insbesondere kreative und kollaborative Aufgaben waren davon betroffen. Während organisatorische Unklarheiten oder Probleme im Arbeitsablauf vor Ort schnell auffallen und behoben werden können, bleiben Beschäftigte im Homeoffice bei unzureichender Planung und Strukturierung der Prozesse im Unklaren.
Auf der emotionalen Ebene sind die Entwicklung von Teamvertrauen und auch Identifikation mit und affektives Commitment zum Team und zur einbettenden Organisation bedeutsam. Beides ist in hybriden Settings, in denen face-to-face und virtuelle Kommunikation parallel laufen, erschwert, wie zahlreiche Studien belegen. Es kann zur Bildung von Untergruppen aus Mitarbeitenden kommen, die häufiger vor Ort im Büro persönlichen Kontakt von Angesicht zu Angesicht haben, und Mitarbeitenden, die aufgrund ihrer räumlichen Entfernung und vor allem computervermittelter Kommunikation mit den Kolleg*innen loser an die Vor-Ort-Gruppe und auch untereinander weniger verbunden sind. Die Unterschiede in den Möglichkeiten des Arbeitens in Präsenz und der virtuellen Zusammenarbeit für die Herausbildung von Team-Identität und Vertrauen sind so groß, dass Webster und Wong empfehlen, solche gemischten Situationen zu vermeiden. Diese Teamkonstellationen stellen auch Herausforderungen an die Führung. Erwartungsgemäß berichten 66 % der befragten Ingenieur*innen einer internen Studie von Microsoft zu den pandemiebedingten Folgen erhöhter Virtualität von einer Abschwächung der Beziehungen zu Teammitgliedern. 78 % der Befragten gaben zudem an, dass spontane Begegnungen, 65 %, dass geplante Aktivitäten abgenommen haben.
Auf der Verhaltensebene kann die Koordination auch erschwert sein, da Präsenz im Büro und Homeoffice vor allem im Hinblick auf Meetings abgestimmt werden müssen. Auch wenn formale Abstimmungen gelingen, ist immer noch die Frage, ob zufällige Treffen auf dem Flur und der Kantine, informeller Austausch rund um Präsenzmeetings noch erfolgen bzw. ihr Fehlen in ihrer wichtigen Funktion für Informationsaustausch und Pflege der Arbeitsbeziehungen kompensiert werden können. Die erwähnte Microsoft Studie berichtet davon, dass dank der Kollaborationstools einander bekannte Arbeitskolleg*innen noch ganz gut untereinander im Austausch geblieben seien, aber die spontanen und zufälligen Begegnungen mit anderen nicht angemessen ersetzt werden konnten. Teammitglieder und vor allem Führungskräfte müssen ihr Verhalten an die veränderte Arbeits- und Kooperationssituation anpassen. Von Teammitgliedern werden mehr Eigenverantwortung und Selbststeuerung ihrer Arbeit und der Zusammenarbeit mit den Teamkolleg*innen verlangt. Führungskräfte müssen sich in ihrem Verhalten mehr in Richtung geteilter Führung entwickeln und die Selbststeuerungsfähigkeit des Teams unterstützen.
Die durch den erhöhten Anteil an virtueller Zusammenarbeit eintretenden Veränderungen in kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Grundlagen der Teamarbeit erfordern entsprechende Maßnahmen zur Sicherung der Teameffektivität. Dazu müssen sie jedoch zunächst wahrgenommen werden. Es ist in der Change Management Forschung gut belegt, dass für die Bereitschaft der Beschäftigten, den Wandel mitzutragen oder ihn sogar aktiv zu unterstützen, der Sinn und der erwartete Nutzen des Zielzustandes – hier hybride Arbeit – zentral ist. Der unmittelbar erfahrbare Nutzen des Wegfalls von Pendelzeiten und der Möglichkeit, zu Hause konzentrierter und ungestörter zu arbeiten, stellt einen starken Motivationsfaktor dar. Dies fördert die Abkehr vom Büro als Arbeitsort. Auf der anderen Seite sind die damit verbundenen womöglich unerwünschten Nebenwirkungen nicht so schnell und auch nicht so unmittelbar erfahrbar.
Wer den Wandel zu hybrider Arbeit erfolgreich gestalten will, muss also dafür sorgen, dass auf der Teamebene und im Unternehmen auf die Effekte der korrosiven Wirkungen verstärkter Distanz und der Nutzung digitaler Medien geachtet wird. Eine generelle Sensibilisierung von Führungskräften und Mitarbeitenden erscheint notwendig: In einer jüngeren internationalen Befragung zeigte sich, dass Beschäftigte die erlebten Einschränkungen im sozialen Austausch und beim direkten Kontakt mit Kolleg*innen nicht so wichtig finden, wie die örtliche und zeitliche Flexibilität. „Moreover, employees find this flexibility to be a critical component of job desirability, claiming that they have compensated for the challenges. For example, employees report that the loss of face-to-face contact and opportunities for personal interactions are not significantly problematic“. Aus eigenen Erfahrungen aus der Organisationsberatung und dem Teamcoaching gewinnen wir den Eindruck, dass Personen, die während der Pandemie in den Beruf eingetreten sind, den Wert der Präsenz selbst nicht erfahren haben. Forschung zu verteilter Teamarbeit zeigt jedoch, dass sowohl die Effektivität als auch der Zusammenhalt eines Teams durch Mangel an physischer Präsenz eingeschränkt sind.
Neben der Sensibilisierung für das Thema ist der Einbau von Mechanismen erforderlich, mit denen die möglichen negativen Effekte des hybriden Arbeitens systematisch beobachtet, reflektiert und durch Umsetzungsmaßnahmen bearbeitet werden. Auf der Teamebene sind hierzu regelmäßige Team-Reflexionen zu diesem Thema erforderlich. In Unternehmen, die agile Methoden einsetzen, wäre hier etwa die Retrospektive zu nennen, die unter Leitung einer für die Begleitung von Teamprozessen qualifizierten Person („Scrum Master“) regelmäßig durchgeführt wird. Der Nutzen von Team-Reflexionen für die Teamperformanz ist gut belegt.
Für das Change Management zu hybrider Arbeit ist es vielleicht ein überraschender Gedanke, dass eine arbeitsgestalterische Maßnahme erforderlich ist, solche regelmäßigen Team-Reflexionen einzuführen, wenn sie in der Organisation noch nicht Standard sind. Aber ohne diese Reflexion fehlen den Akteuren im Unternehmen die Informationen über die Nebenwirkungen des neuen Arbeitskonzeptes, und sie können auf die subkutanen Wirkungen der hybriden sozialen Situationen nicht angemessen reagieren. Dies kann paradoxerweise dazu führen, dass Unternehmensleitungen mehr Büropräsenz fordern müssen, als es ihre Beschäftigten als nötig oder wünschenswert ansehen. Teams müssen nun auch verstärkt lernen, ihre Prozesse selbst explizit zu planen und zu koordinieren. Dies bedeutet einen höheren Grad an Selbstorganisation und für die Führungskräfte ein anderes Führungsverhalten im Rahmen geteilter Führung.
Im Change Prozess selbst muss systematisch Wissen aufgebaut werden, wie das zukünftige Arbeitsmodell nachhaltig funktionieren kann, denn bislang liegen wenig Erfahrungen vor z. B. wie hybride Meetings und Workshops funktionieren.
2.2 Teamzusammenhalt und organisationales Commitment
An einem hybriden Arbeitsplatz ist es schwieriger, Arbeitsbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. Wenn manche Mitarbeiter*innen weiterhin im Büro arbeiten, andere jedoch an ihrem häuslichen Arbeitsplatz, kann es zu Untergruppenbildungen im Team kommen und die remote arbeitenden Kolleg*innen könnten sich ausgegrenzt fühlen. Teambuilding-Aktivitäten des Unternehmens müssen so organisiert werden, dass sie unabhängig vom Ort für alle Teammitglieder zugänglich sind. Für die soziale Einbindung aller Mitarbeitenden sind besonders die Führungskräfte verantwortlich, indem sie Arbeitsbeziehungen aktiv gestalten, z. B. informelle Austauschmöglichkeiten schaffen, Präsenztage explizit zur Kontaktpflege nutzen und Partizipation virtuell organisieren und mit geeigneten Moderationsmethoden unterstützen.
Wie in der Einleitung ausgeführt, schrecken Unternehmen aus Rücksicht auf ihre (potenziellen) Beschäftigten davor zurück, Anwesenheit einzufordern oder verbindlich zu regeln. Bei einer Laisser-faire-Lösung für hybrides Arbeiten können jedoch die Vorteile des Arbeitens im Büro gar nicht mehr erfahren werden, weil u. U. jedes Teammitglied an einem anderen Tag im Büro ist und sich daher informelle Begegnungen kaum ergeben. Der Aufwand, extra ins Büro zu fahren, erscheint somit sinnlos. Die Virtualität wird zum Teil auch in Unkenntnis ihrer Schattenseiten, z. B. der geringeren Möglichkeiten informellen und nicht geplanten Austauschs und der damit verbundenen positiven Effekte auf Teamzusammenhalt, Innovation und Identifikation mit Team und Organisation verstärkt. Diese Vorteile würden nur durch ein abgestimmtes Verhalten der verschiedenen Akteure erfahrbar (z. B. feste Bürotage) und sind zudem argumentativ schwer vermittelbar.
Die angemessene Partizipation der Betroffenen gehört zu den Kernbestandteilen des Change Managements. Wenn die Beschäftigten derzeit befragt werden, erwarten sie höhere Anteile an Homeoffice, als aus der Perspektive des Teamzusammenhalts und auch des sozialen Zusammenhalts eines Unternehmens wahrscheinlich sinnvoll wäre. Dies kann paradoxerweise dazu führen, dass Unternehmensleitungen mehr Büropräsenz fordern müssen, als es ihre Beschäftigten als nötig oder wünschenswert ansehen. Wie kann dieser Widerspruch bewältigt werden?
Die Herausforderung für das Change Management liegt hier u. U. darin, dass die hybride Arbeitssituation team- und organisationsübergreifend so gestaltet werden muss, dass Begegnungsmöglichkeiten, Informationsaustausch und Kommunikation gelingen. Konradt und Hertel nennen zahlreiche Handlungsstrategien für Führungskräfte und für Teammitglieder, um die Faktoren zu optimieren, die besonders in verteilten Teams für die Bildung und Aufrechterhaltung der Arbeitsmotivation zentral sind. So ist es beispielsweise für die Erhöhung des Vertrauens in das Team und die Organisation hilfreich, wenn Kommunikationsregeln vereinbart, Ziele gemeinsam definiert, die Teamidentität einschließlich der geltenden Gruppenormen und Regeln immer wieder aktiviert, Erfolge gefeiert und Prozesse reflektiert werden. Auch spielen für die Bereitschaft, den Wandel in einer Organisation mitzutragen, die sozialen Bindungen und die Qualität der Beziehungen zu den Peers in einer Organisation eine große Rolle. Beschäftigte sind eher bereit, eine Veränderung zu unterstützen, wenn sie selbst sich durch ihre Organisation unterstützt fühlen und sie Vertrauen zu ihren Peers haben.
2.3 Räumliche und technische Infrastrukturen
Die Abhängigkeit von der Technik erhöht sich bei hybrider Arbeit, und diese muss dezentral angelegt und zentral administriert werden. Mitarbeitende müssen Medienkompetenzen erwerben, die auch einschließen, dass sie technische Probleme im Homeoffice zur Not auch da selbst beheben können, wo dies im Büro ein für die Administration zuständige Person getan hat. Diese Anforderungen erfordern Investitionen in die Bürogestaltung aber auch zur Entwicklung der entsprechenden Kompetenzen (Schulungen).
Eine Herausforderung für das Change Management liegt darin, dass mit der Implementierung von Kollaborationsplattformen die technische Infrastruktur für das virtuelle Setting zwar gegeben ist, jedoch das hybride Setting ganz neue Gestaltungsansätze erfordert, die die virtuellen und die in Präsenz stattfindenden Kommunikations- und Kooperationssituationen integrieren. Gestaltet werden muss eine neue Dualität von physischem und virtuellem Arbeitsplatz.
Es verändert sich auch die Nutzung des Büros. Gegenüber der vorpandemischen Zeit hat der Anteil der konzentrierten Alleinarbeit im Büro abgenommen, während der Anteil informeller Kommunikation und der Teilnahme an Meetings zugenommen hat. Die Büronutzung muss gegenüber der Zeit vor der Pandemie völlig neu geregelt und gestaltet werden. Da es wenig Sinn ergibt, bei einer Anwesenheit im Büro von 40 bis 60 % der Arbeitszeit weiterhin für jede Person einen individuellen Arbeitsplatz vorzuhalten, wird das „Desk-sharing“ in flexiblen Bürolandschaften das Standardmodell der auf Hybrid Work setzenden Unternehmen werden. In „activity based offices“ werden für die unterschiedlichen Arbeitsbedürfnisse („concentrate“, „collaborate“, „contemplate“, „communicate“ bei Clapperton und Vanhoutte) temporär belegbare Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt. Activity based offices) bieten eine Arbeitsplatzgestaltung je nach der Aufgabe, die gerade erledigt werden muss: Stehschreibtische für die Arbeit am Laptop, Lounges zum Lesen und Schreiben von E‑Mails, schallgedämpfte Kabinen für Telefonkonferenzen und Kaffeebereiche für Teamgespräche. Die intensive Homeoffice-Nutzung während der Pandemie hat die Erwartungen an die Attraktivität der Büroumgebungen noch verstärkt. Zur Attraktivität gehört auch eine Option auf gutes Mittagessen und weitere Services mit Erlebnisfaktor (Kinderbetreuung, Gastronomie, Ladestationen etc.). Es wird erwartet, dass das physische Büro weiter Bedeutung haben wird sowohl für die informelle Kommunikation und die Pflege interpersonaler Beziehungen als auch für die Identifikation der Beschäftigten mit der Organisation. Doch im Change Prozess muss letztlich eine stabile Lösung erst noch gefunden werden. Die Identifikation der Beschäftigten mit der Organisation wird vermittelt durch die Funktionalität des Büros und den Gemeinschaftssinn und die Unternehmenskultur, die sich dort durch die sozialen Begegnungen entwickeln.
Es müssen also neue Infrastrukturen für die Zusammenarbeit im Unternehmen geschaffen werden. Damit wird die Anzahl der in den Change Prozess einzubindenden Akteure maximiert und die Komplexität der Gestaltungsaufgabe massiv erhöht. Der Gestaltungsaufwand reduziert sich nicht auf die Bereitstellung der Infrastruktur. Das wäre ja mit einem repräsentativen Beteiligungsprozess nach bewährten Verfahren gestaltbar. Vielmehr muss diese Infrastruktur nach den Bedürfnissen der künftigen Nutzer*innen gestaltet werden. Ihre Nutzung in hybriden Arbeitssituationen muss team- und organisationsübergreifend so gestaltet werden, dass Begegnungsmöglichkeiten, Informationsaustausch und Kommunikation gelingen.
3 Neue Orientierungen und Vorgehensweisen beim Change Management
Der vorhergehende Abschnitt hat ergeben, dass die Herausforderungen der für das Change Management Verantwortlichen groß ist, um das neue Arbeitskonzept von hybrider Arbeit effektiv, humanorientiert und nachhaltig zu implementieren. In diesem Abschnitt sollen fünf Lösungsansätze diskutiert werden, mit denen die Change Management Praxis auf diese Herausforderungen reagieren kann. Dabei geht es um neue Kompetenzen, Orientierungen und Vorgehensweisen im Change Management, die die Erfolgschancen der Umsetzung erhöhen können.
1. Beteiligungsprozesse. Wenn die Beschäftigten nur noch die Hälfte der Zeit im Büro vor Ort erreichbar sind und ein Großteil der Arbeit im virtuellen Büro der Kollaborationsplattformen erledigt wird, muss dies Konsequenzen für die Gestaltung von Beteiligungsprozessen haben. Das klassische Change Management hat sich überwiegend auf Beteiligungsprozesse in Präsenz (z. B. Informationsveranstaltungen, Workshops) gestützt und die vielfältigen Möglichkeiten, Moderationsprozesse durch virtuelle Plattformen und Prozesse zu unterstützen, nicht ausgeschöpft. Auch für die Zusammenarbeit in agilen Teams oder bei Kreativprozessen wie dem Design Thinking galt die Prämisse, dass diese mediengestützt nicht ausreichend gut funktionieren würden. Doch während der Pandemie wurden viele kreative Formen entwickelt, Arbeits- und Beteiligungsprozesse auch in mediengestützten Settings zu realisieren. So hat sich herausgestellt, dass kreative Workshops grundsätzlich „semi-virtuell“, also durch gezielten Wechsel von Phasen des Arbeitens virtuell und in Präsenz erfolgreich gestaltet werden können. Mit Hilfe von Mixed-reality-Räumen (Videokonferenz mit Kollaborationsplattform kombiniert) kann bei virtueller Zusammenarbeit soziale Präsenz erlebt werden. Es lassen sich somit vielfältige Formen finden, virtuelle Beteiligungsformen in den Change Prozess zu integrieren. Dabei kommt es jedoch darauf an, sehr sensibel die möglichen Nebenwirkungen erhöhter Virtualität auf die Beteiligungsprozesse und das Commitment für die Ziele des Veränderungsprozesses zu berücksichtigen. Unsere Empfehlung wäre es dennoch, nicht ohne guten Grund auf hybride Workshops und Settings zu setzen. Für die Entwicklung kreativer Ideen im Change Prozess sollte wo immer möglich der persönliche Austausch bevorzugt werden. Vorteile für virtuelle Beteiligungsformen liegen darin, dass räumlich verstreute Expertise mit weniger Aufwand eingebunden, Ergebnisse besser transparent gemacht werden können und der Einsatz digitaler Medien Beteiligung beschleunigen und effizienter machen kann. Soziale Beziehungen und Vertrauen werden aber nach wie vor in face-to-face Kontakten schneller und nachhaltiger aufgebaut und gepflegt.
Die Verantwortlichen für das Change Management müssen bei hybrider Arbeit angemessene Formen der virtuellen Beteiligung der Beschäftigten am Change Prozess von vornherein einplanen. Sie müssen daher die Wirkungen der gewählten Settings auf das Commitment der Beschäftigten und die Ergebnisse der Beteiligungsprozesse abschätzen können. Um fundiert entscheiden zu können, welche Prozesse besser virtuell oder in Präsenz zu realisieren sind, müssen sie Kompetenzen zur Gestaltung mediengestützter Beteiligungsformen aufbauen.
2. Agiles Vorgehen. Das Fraunhofer Institut hat in einem „Blueprint“ idealtypisch konzipiert, wie hybride Settings in Unternehmen ausgestaltet werden können. Dabei wird sichtbar, dass für hybride Innovationsprozesse erhebliche infrastrukturelle und organisationale Voraussetzungen zu schaffen sind. So bedarf es integrierter und stabiler IT-Lösungen, die als zentrale Austauschplattformen fungieren. Die Unternehmenskultur muss sich durch eine „Improvisationsmentalität“ auszeichnen, Mitarbeiter*innen intrinsisch motiviert sein und ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl aufweisen. Für die Zusammenarbeit bedarf es klarer Regeln und einer geschulten Moderation. Nicht zuletzt müssen die Teilnehmer*innen über digitale Anwendungskompetenzen verfügen, um nicht kognitiv überlastet zu werden. Auch sollten sie über einen hohen Grad an Selbstorganisationsfähigkeit und Resilienz verfügen, da hybride Arbeitsprozesse auch aufgrund der sozialen Isolation belastend sind.
Dieses Beispiel illustriert, welche Vorleistungen in den Change Prozess eingehen und welche Komplexität der Einflussfaktoren bei einem Change Prozess hin zu hybrider Arbeit zu gestalten ist. Dabei dürften die Akteure erst während des Prozesses ein Gefühl dafür bekommen, ob – um im Beispiel zu bleiben – die Unternehmenskultur ausreichend Offenheit für Improvisationen zeigt bzw. ob die Selbstorganisationsfähigkeit der Beschäftigten genügt.
Aufgrund der Vielfalt der relevanten Einflussfaktoren und ihrer möglichen Wechselwirkungen müssen sich die betrieblich Verantwortlichen für das Change Management von früheren Vorstellungen eines Change Prozesses, der darauf abzielte, einen Gleichgewichtszustand einer Organisation „aufzutauen“, zu verändern und neu wiederherzustellen, verabschieden. Diese Vorstellung ist sehr lange prägend gewesen. Sie basierte auf der Vorstellung, die Zielzustände des Veränderungsprozesses antizipieren und aufwändig planen zu können und hat zu Change Projekten geführt, die durch aufwändige Phasen der durch Expert*innen getriebenen Analyse und Planung von Veränderungsprojekten bestimmt waren. In dynamischen Umwelten und Situationen hoher Komplexität ist es hingegen sinnvoller, den Wandel als einen Prozess fortlaufender Weiterentwicklung der Fähigkeiten und Strukturen der Organisation zu behandeln. Für die Transformation zu hybrider Arbeit sollten die Verantwortlichen für das Change Management daher den Vorschlag eines agilen Change Management von Gergs et al. aufgreifen, der die Anwendung agiler Werte, Methoden und Vorgehensweisen intendiert. Kerngedanke ist, in Iterationen (also in rückgekoppelten Schleifen) vorzugehen, bei denen Entwürfe funktionierender Veränderungen in der Praxis getestet und anhand der Feedbacks aus der Praxis in einer folgenden Iteration weiterentwickelt werden.
Dass ein agiles Vorgehen sinnvoll ist, hat sich bereits bei der Einführung und Nutzung von Kollaborationsplattformen gezeigt. Unternehmen mussten die Erfahrung machen, dass die Einführung solcher Werkzeuge einen vielgestaltigen Such‑, Lern- und Entwicklungsprozess ausgelöst hat. Lösungen wurden letztlich durch ein iteratives Vorgehen durch die sukzessive Aneignung der neuen Nutzungsoptionen durch die Beschäftigten gefunden. Daher sollte auch die Gestaltung von Hybrid Work entsprechend angelegt sein. Unternehmen sehen gegenwärtig die Herausforderung, in einem komplexen iterativen Prozess für sich passende Lösungen für die hybride Zusammenarbeit, die Gestaltung der sozialen Räume und Arbeitsplätze und auch der Auswirkungen auf die Produktivität und das Wohlbefinden ihrer Belegschaften zu gestalten. Es wird beispielsweise in besonderem Maße notwendig sein, Lösungen zu entwickeln, die die Beschäftigten davon überzeugen, dass das (zeitweilige) Arbeiten im Büro für sie Vorteile bringt. Die Beschäftigten werden jedoch den Nutzen des Büros als Ort für den sozialen Austausch nur schrittweise erfahren, wenn durch ein abgestimmtes und verändertes Verhalten aller Beteiligten neue Erfahrungen gemacht werden. Mit einem agilen Vorgehen können Entwürfe für neue Nutzungsweisen des Büros mit den Beschäftigten erprobt und deren Wirkung reflektiert werden. Auf dieser Grundlage lassen sich die diskutierten Widersprüche zwischen dem individuellen Nutzen der Flexibilität und den nachteiligen Wirkungen der Distanz auf den Teamzusammenhalt im Prozess nicht nur bewusst machen, sondern auch in neue Lösungen überführen, die von den Beschäftigten mitgetragen werden. Ein agiles Vorgehen im Change Management stellt übrigens auch neue Anforderungen an Change Berater*innen.
3. Sozio-technische Systemgestaltung. Die Change Herausforderung von hybrider Arbeit wird oftmals verkürzt wahrgenommen. Mit der Bereitstellung der Technik (z. B. Webkonferenzsysteme, Kollaborationsplattformen) und der Festlegung einer maximalen Anzahl von Arbeitstagen im Homeoffice pro Woche sind die im letzten Kapitel angesprochenen praktischen Herausforderungen jedoch noch lange nicht gelöst. Beim Übergang zu Hybrid Work handelt es sich um eine tiefgreifende Veränderung der sozialen und technischen Grundlagen der Zusammenarbeit. Es kommt also darauf an, diese zielgerichtet und bewusst zu gestalten, um Probleme mit der Akzeptanz neuer technischer Lösungen und der Leistungsfähigkeit der Arbeitssysteme zu vermeiden. Da diese sich sehr häufig auf Widersprüche zwischen sozialem und technischem System zurückführen lassen, ist eine sozio-technische Systemgestaltung zu empfehlen, die beide Systeme komplementär und aufeinander bezogen gestaltet. Ziel der sozio-technischen Systemgestaltung ist es, Menschen die Kontrolle über die Arbeitsprozesse und die eingesetzte Technik zu verschaffen, um die Leistung der Organisation zu optimieren und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten menschenfreundlich zu gestalten. Dieser Ansatz erhöht die Chancen, dass Hybrid Work auch zu einer Humanisierung der Arbeit führt.
4. Gestaltung auf Team- und Organisationsebene. Mit der vorgeschlagenen Orientierung auf ein agiles Vorgehen im Change Management kommen neue Akteure und Handlungsebenen ins Spiel. Dies stellt die klassische, hierarchische Change-Projekt-Aufbauorganisation in Frage, da ein agiles Vorgehen flexible Formen der Zusammenarbeit präferiert. Darüber hinaus erweitert sich aufgrund der Komplexität der Themen die Anzahl der beteiligten Akteure. Durch die Digitalisierung ist dies in vielen großen Unternehmen schon State-of-the-art: „Heute ist eine Mehrkomponenten-Change-Unterstützung gefragt. Mehrkomponenten deshalb, weil Change Berater nicht alleine, sondern in Zusammenarbeit mit Prozess‑, Fach‑, Kommunikations- und Kulturexpert/innen den Change planen und begleiten, die keine Kollegen der originären HR-Change-Management-Abteilung sind, aber wesentliches Wissen beisteuern“. Auch für hybride Arbeit gilt, dass die Veränderungen auf zwei unterschiedlichen Handlungsebenen gestaltet werden müssen.
Auf der operativen Ebene übernehmen Führungskräfte für ihren Bereich klassischerweise die Arbeitsgestaltung und kümmern sich um die Prozessoptimierung. Sie werden dabei zumeist durch entsprechende Fachabteilungen unterstützt (Qualitätsmanagement, IT-Abteilung, Arbeitssicherheit). Die zuständigen Führungskräfte sind bei Hybrid Work in besonderer Weise gefordert, dafür zu sorgen, dass Absprachen zur Gestaltung von Teammeetings, zur Nutzung des Büros (z. B. Festlegung der Präsenztage) und zur Regelung der Teamarbeit getroffen werden. In agilen Organisationen wird ein großer Teil dieser teambezogenen Abstimmungen und die Optimierung der Zusammenarbeit auch von Scrum Mastern koordiniert. Eine zentrale Rolle sollten dabei vor allem systematische und wiederholt durchgeführte Team-Reflexionen sowohl zur Aufgabenerfüllung als auch zur Qualität der Zusammenarbeit spielen. Sie sollten bei Hybrid Work ausdrücklich die möglichen Nebenwirkungen des hohen Anteils an Zusammenarbeit auf Distanz thematisieren (z. B. Isolation, negative Teamdynamiken, Wissensinseln usw.) und dafür Lösungen realisieren. Es ist sinnvoll für Organisationen, dass sie fachlich versierte Unterstützung für die Führungskräfte bereithalten, auf die diese zurückgreifen können, wenn sie hinsichtlich der Teamdynamiken oder der eingesetzten Kollaborationstechnik Unterstützung benötigen. Zudem sollten Ressourcen für die Umsetzung der Lösungsvorschläge bereitgestellt werden. Aus der Perspektive klassischen Change Managements ist die hier beschriebene Ebene kein Teil einer Change Management Organisation. Vielmehr würde man es als Arbeitsgestaltung betrachten. Für den Change zu Hybrid Work ist es aber essentiell, die Realisierung der neuen Arbeitsform auf der Teamebene strukturell zu verankern. Es wäre als Umsetzung des von Stouten et al. beschriebenen evidenzbasierten Prinzips erfolgreichen Change Managements zu sehen, unterstützende Praktiken zur Implementierung zu etablieren (Zielsetzung, Lernen, Beschäftigtenbeteiligung, Fairness, „transitional structures“).
Auf der Organisationsebene besteht die besondere Herausforderung bei hybrider Arbeit darin, die operative Arbeitsgestaltung durch die Führungskräfte und Teams mit Hilfe von übergreifenden Regularien (z. B. Homeoffice-Nutzung, Anwesenheit im Büro, Zusammenarbeit) und Gestaltungsansätzen (z. B. technische Infrastruktur, neue Bürokonzepte, Vorgehen im Change Management) gezielt zu unterstützen. Es müssen zudem für Hybrid Work eine Reihe an Klärungen erfolgen: Wo soll wer arbeiten? Wie soll das Büro neu organisiert werden? Welche Führungspraktiken müssen an die neue Situation angepasst werden? Welche Technik muss bereitgestellt werden und in welchem Umfang sollen Büroflächen ggf. abgebaut werden.
Für diese Gestaltungsaufgabe müssen in vielen Unternehmen erst noch Verantwortliche gefunden und Gestaltungskompetenz aufgebaut werden. Dies haben die Erfahrungen mit der Einführung von Kollaborationsplattformen gezeigt. Generell ist Fachwissen zur Arbeitsgestaltung in Unternehmen nicht besonders stark ausgeprägt. Daher muss im Change Prozess das Gestaltungswissen zu den neuen Themen (hybride Arbeitssettings, Raumgestaltung, Kollaborationsplattformen) gezielt entwickelt werden. Problematisch ist, dass aufgrund der Entwicklungsdynamik in diesem Feld bereits vorhandenes Wissen schnell veraltet. Aufgrund der Erfahrung bei der betrieblichen Gestaltung der Nutzung von Kollaborationsplattformen ist zu empfehlen, die Professionalisierung der Arbeitsgestaltung im Netzwerk der betrieblichen Arbeitsgestaltungspersonen vorzunehmen, um die verschiedenen fachlichen Perspektiven zu integrieren und eine ganzheitliche Perspektive auf die mit Hybrid Work verbundenen Ziele zu entwickeln. Die für Hybrid Work unverzichtbare Mehr-Ebenen-Gestaltung ist für Unternehmen eine Herausforderung. Denn Unternehmen haben allgemein Schwierigkeiten mit dem Change Management von komplexen Veränderungsvorhaben. Neben der klassischen Arbeitsplatzgestaltung und der IT-Systeme kommt nun noch hinzu, dass auch erhebliche Anforderungen an die Neugestaltung von Büros gestellt werden. Die Gestaltung solcher Büros erfordert erhebliche Investitionsmittel. Zudem definiert sie ein relativ neues Feld für die Personen, die für Arbeitsgestaltung verantwortlich sind.
Alles deutet derzeit darauf hin, dass der intendierte Change in qualifizierten, wissensintensiven Arbeitsbereichen von der besonderen Corona Situation zu einem nachhaltigen Konzept hybrider Arbeit eine Herausforderung für Unternehmen darstellt. Die diesen Beitrag leitende Vorstellung, dass es sich um einen geplanten Wandel hin zu einem neuen Konzept handelt, weicht mehr und mehr der Erkenntnis, dass es sich wahrscheinlich um eine Transformation handelt, bei der der Zielzustand nur sehr vage bestimmt und im Prozess schrittweise zu klären ist. Für ein nachhaltiges Konzept hybrider Arbeit muss eine hohe Qualität der Arbeitsbedingungen und ein starkes Commitment der Beschäftigten gegenüber ihrer Organisation erreicht werden. Dazu muss insbesondere sichergestellt werden, dass substantielle Lösungen zur Vermeidung der dysfunktionalen Nebenwirkungen des hohen Anteils an virtueller Zusammenarbeit gefunden werden. Letztlich bestimmt die Qualität des Change Management über die Chancen der Unternehmen, im Wettbewerb um qualifizierte Expertinnen und Experten erfolgreich zu sein.
Zur einfacheren Lesbarkeit wurden die Quell- und Literaturverweise entfernt.
Hardwig, T., Boos, M. Hybrid Work: Herausforderungen an das Change Management in Unternehmen. Gr Interakt Org 54, 187–197 (2023)