So schützen Sie Ihre Daten bei der Einreise in die USA
Donald Trump schottet die USA ab. Politisch, indem er Partner und Verbündete brüskiert – aber auch ganz konkret an der Grenze: Zuwanderer aus Mexiko will er mit einer Mauer aussperren, und zunehmend drängt sich der Eindruck auf, dass die Vereinigten Staaten auch Reisende aus anderen Länder fernhalten wollen.
Darauf deuten jedenfalls mehrere Zwischenfälle seit Trumps Amtseinführung hin. Ende Januar berichtete etwa die Anwältin Mana Yegani von einer Sudanesin, die fünf Stunden befragt worden sei und unter anderem ihren Facebook-Account habe herzeigen müssen. Dabei besitze die Stanford-Doktorandin seit 22 Jahren eine Green Card.
Die Kontrollen betreffen auch US-Amerikaner: Nasa-Mitarbeiter Sidd Bikkannavar wurde stundenlang am Flughafen von Houston verhört, bis er schliesslich das Passwort für sein Diensthandy herausrückte. Erst, als die Beamten es kontrolliert und die Daten kopiert hatten, durfte Bikkannavar die USA betreten. Haisam Elsharkawi, ebenfalls amerikanischer Staatsbürger, bekam Probleme bei der Ausreise: Bei seinem Flug von LosAngeles nach Saudi-Arabien sei er drei Stunden in Handschellen festgehalten worden, erzählte er der New York Times. Schliesslich gab er auf und entsperrte sein Smartphone für die Grenzschützer.
Weltweit haben Medien diese Fälle aufgegriffen. Wohl auch, weil es gut ins Bild passt: Da ist Präsident Trump, der Menschen aus sieben überwiegend muslimischen Ländern komplett aussperren wollte. Da ist Heimatschutzminister John Kelly, der öffentlich darüber nachdenkt, Einreisende an der Grenze zu zwingen, ihre Social-Media Passwörter herauszugeben.
Tatsächlich hat die Grenzschutzbehörde Customs and Border Protection (CBP) ihre Arbeit auch schon unter Obama mit grosser Akribie verrichtet. Gründlichkeit nennen es die Republikaner, Bürgerrechtler halten das Vorgehen für rechtswidrigen Übereifer. „In manchen Fällen ist es ein stärkerer Eingriff in die Privatsphäre, das Smartphone zu durchsuchen als das Haus“, sagt Nathan Freed Wessler von der American Civil Liberties Union (ACLU). Viele Menschen würden mittlerweile ihr gesamtes Leben digital speichern, dementsprechend müssten diese Daten auch besonders geschützt werden.
Zwischen Oktober 2008 und Juni 2010 wurden mehr als 6500 Einreisende gezwungen, ihre elektronischen Geräte kontrollieren zu lassen, wie die Bürgerrechtsorganisation ACLU herausfand. In knapp der Hälfte der Fälle waren US-Amerikaner betroffen. 2015 gab es knapp 5000 Inspektionen. Im skalischen Jahr 2016, das am 30. September endet und damit noch komplett unter Obamas Amtszeit fällt, waren es fast 24 000. Im Vergleich zu 2015 hat sich die Zahl verfünffacht, insgesamt sind aber lediglich 0,0061 Prozent der etwa 390 Millionen Einreisen in die USA betroffen.
Der demokratische Senator Ron Wyden hat eine Anfrage ans Heimatschutzministerium gestellt, um herauszu nden, wie sich diese Zahlen unter Trump entwickelt haben. Die Antwortfrist endet am 20. März, noch gibt es keine aktuellen Daten. Bis dahin bleiben nur die Aussagen von Organisationen wie ACLU und Electronic Frontier Foundation (EFF). Beide berichten, dass sich seit Januar mehr Menschen bei ihnen über CBP-Beamte beschwerten, die elektronische Geräte beschlagnahmen und durchsuchen.
Die rechtliche Situation hat sich seit Trumps Amtsantritt jedenfalls nicht verändert – sie ist immer noch genauso komplex wie unter Obama. Eindeutig freiwillig ist die Angabe der Social-Media-Konten im Vorfeld der Einreise. Seit Ende 2016 enthält das Formular für die Esta-Reisegenehmigung ein entsprechendes Feld, wo Reisende den Namen (nicht das Passwort!) ihrer Konten bei Facebook, Twitter, Instagram, Linkedin oder Youtube eintragen können.
Klar ist auch, dass Polizisten innerhalb der USA kein Recht haben, Smartphones zu durchsuchen. Davor schützt der vierte Verfassungszusatz der Vereinigten Staaten (PDF eines entsprechenden Urteils). An der Grenze gelten jedoch andere Regeln. Der Supreme Court urteilte 1976 und 2004 dass bei der Einreisende einen grösseren Eingriff in ihre Privatsphäre akzeptieren müssen, weil es im Interesse der Regierung sei, potenzielle Gefahren von den USA fernzuhalten.
Die Grenzkontrolleure der CBP dürfen Gepäck ohne richterliche Genehmigung durchsuchen. Seit 2009 gilt das auch für elektronische Geräte. Grundlage ist das Urteil eines US-Berufungsgerichts aus dem Jahr 2008. Demnach dürfen Behörden Smartphones oder Laptops von Einreisenden beschlagnahmen, auch wenn es keinen Anlass gibt, die Personen zu verdächtigen. Das sei verhältnismässig und entspreche gewöhnlichen Gepäckkontrollen. Bürgerrechtler wie ACLU-Anwalt Wessler kritisieren dieses Vorgehen als übergriffig und unverhältnismässig. Die EFF legte Protest gegen das Urteil ein, an der Gesetzeslage hat das bislang aber nichts geändert. Dementsprechend bleibt Reisenden wenig Anderes übrig, als Smartphones und Laptops herauszurücken, wenn es die CBP verlangt und den Betroffenen das entsprechende Dokument vorlegt.
Der Flyer erklärt, warum man ausgewählt wurde. Dafür kommen eine „Vielzahl von Gründen“ in Frage, darunter auch das Pech, Ziel einer Zufallskontrolle geworden zu sein. Die Reisenden erfahren, wie sie die Geräte zurückerhalten (die Beamten rufen an, dann darf man sein Eigentum abholen) und was mit den gefundenen Daten passiert (sie können auch kopiert und gespeichert werden). Eine forensische Untersuchung ist einem Urteil aus dem Jahr 2013 zufolge aber nur bei einem begründeten Anfangsverdacht erlaubt.
Viele Menschen schützen ihre Daten mit Passwörtern, Sicherheitscodes oder Fingerabdrücken. Die Beamten können also nicht sofort darauf zugreifen und fordern die Reisenden auf, den Login zu verraten oder die Geräte selbst zu entsperren. Fragen dürfen sie, doch ob die Betroffenen antworten müssen, ist umstritten. Bislang gebe es dazu kein Gerichtsurteil und widersprüchliche Einschätzungen von Anwälten, sagt Wessler von der ACLU.
Doch selbst wenn die Grenzschützer niemanden zwingen können, ihnen Zugriff auf Laptop und Smartphone zu gewähren, können sie doch beträchtlichen Druck auf die Reisenden auswirken. Wer die Kooperation verweigert, riskiert, stundenlang festgehalten und dann nach Hause geschickt zu werden – auf eigene Kosten.
So erging es etwas dem kanadischen Fotografen Ed Ou, der im vergangenen Oktober die Proteste gegen den Bau der Dakota Access Pipeline dokumentieren wollte. Er sei sechs Stunden festgehalten worden, die Beamten hätten sein Smartphone konfisziert und untersucht, sagte er der New York Times. Ou weigerte sich, das Handy zu entsperren und durfte die USA nicht betreten. Angeblich hätte er denselben Namen wie eine „verdächtige Person“, habe man ihm erzählt. Eine offizielle Begründung erfuhr er nicht. Das zeigt, dass es grundsätzlich jeden treffen kann. Das Risiko mag verhältnismässig gering sein – der Ärger und der Stress, die drohen, wenn die Grenzbeamten einen erst einmal beiseite genommen haben und beginnen, Smartphone und Laptop zu inspizieren, sind umso grösser. Mit den folgenden Tipps können Sie Ihre Daten vor allzu neugierigen Kontrolleuren schützen.
Nehmen Sie so wenige Daten wie möglich mit
Am sichersten sind Informationen, die Sie gar nicht dabeihaben. Löschen Sie noch zu Hause sensible Daten von Smartphone und Laptop oder kaufen Sie ein neues, günstiges Gerät extra für die Reise. Wenn Sie die Daten in den USA benötigen, können Sie ein Backup bei einem Cloud-Anbieter ablegen und es nach der Einreise wiederherstellen. In diesem Fall be nden sich Ihre Daten zum Zeitpunkt des Grenzübertritts nicht auf Ihrem Gerät, die CBP-Beamten dürfen dementsprechend nicht darauf zugreifen. Die EFF weist aber darauf hin, dass Daten in der Cloud möglicherweise schwächeren Datenschutzgesetzen unterliegen können, wenn sie auf US-amerikanischen Servern liegen. Ausserdem kann es sinnvoll sein, Social-Media-Apps von ihrem Handy zu löschen. Selbst wenn Sie Ihr Telefon entsperren, haben Grenzschützer dann keinen Zugriff auf Ihren Facebook-Account oder Ihre Whatsapp-Nachrichten.
Nutzen Sie Zwei-Faktor-Authentifizierung
Wenn Sie Ihre Daten nicht vor der Reise vom Gerät entfernen wollen, können Sie die Beamten damit davon abhalten, darauf zuzugreifen. Bei aktivierter 2FA benötigen sie zum Einloggen nicht nur ein Passwort (etwas, das Sie wissen), sondern auch einen zusätzlichen Code, der auf einem anderen Gerät erzeugt wird (etwas, das sich in Ihrem Besitz befindet). Wenn Sie den zweiten Teil des Schlüssels nicht dabeihaben, können die Grenzschützer Ihren Account selbst dann nicht öffnen, wenn Sie das Passwort verraten.
Verschlüsseln Sie ihre Daten
Viele moderne Smartphones verschlüsseln die Daten standardmässig. Bei aktuellen Apple-Geräten haben sogar die Kryptografie-Experten des FBI keine Chance mehr, ohne Passwort oder passenden Fingerabdruck an die Daten heranzukommen. Laptops sind dagegen nicht ab Werk verschlüsselt. Theoretisch könnten Grenzschützer die Festplatte ausbauen oder einen anderen Laptop anschliessen, um die Informationen dann auszulesen. Juristisch wäre das vermutlich illegal, da forensische Untersuchungen einen Anfangsverdacht voraussetzen.
Dennoch: Wenn Ihnen ein Beamter den Laptop abnimmt und damit in einem Nebenraum verschwindet, warten Sie vermutlich entspannter, wenn Sie die Festplatte vorher verschlüsselt haben. Dafür empfiehlt die EFF Windows-Nutzern Microsoft Bitlocker. Neuere Versionen von OSX besitzen mit Filevault ebenfalls eine eigene Verschlüsselungssoftware.
Sparen Sie sich Spielchen
Einen US-Grenzschützer anzulügen oder seine Ermittlungen zu behindern, indem man unmittelbar vor der Kontrolle noch schnell Daten löscht, ist eine Straftat. Mit Täuschungsversuchen bringen Sie sich in grosse Schwierigkeiten. Davon rät auch der bekannte IT-Experte und Sicherheitsforscher „The Grugq“ dringend ab: „Sie, die Sie keine Erfahrung damit haben, professionell zu lügen, wollen Leute anlügen, deren Job es ist, Lügen zu erkennen. Tun Sie das nicht.“
Eine ebenso schlechte Idee sei es, mit entladenem Akku einzureisen (die Grenzbeamten haben Ladegeräte, die sie definitiv einsetzen werden) oder gar kein Smartphone oder Laptop dabei zu haben: „Wenn Sie überhaupt kein Stück digitale Technik mit sich herumtragen und nicht gerade jünger als zwei oder älter als 80 Jahre sind, dann sind Sie extrem ungewöhnlich. Mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit sollten Sie gründlich befragt werden …“
Kennen Sie Ihre Rechte und beschweren Sie sich
Wenn Sie das Gefühl haben, bei der Einreise in die USA unrechtmässig behandelt worden zu sein, können Sie sich bei der CBP beschweren. Ausserdem interessieren sich NGOs und Bürgerrechtler wie die ACLU über Ihren Bericht. Eine Datenbank mit fragwürdigen Vorfällen dient ihr als Material, mit dem sie in ihren Klagen gegen die Regierung argumentieren kann. Wenn Sie sich speziell aufgrund ihres muslimischen Glaubens diskriminiert fühlen, können Sie sich auch an den Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen wenden.
Sueddeutsche.de; Simon Hurtz, Christian Simon; 05.03.2017
http://www.sueddeutsche.de/digital/grenzkontrollen-so-schuetzen-sie-ihre-daten-bei-dereinreise-in-die-usa-1.3388338