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Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und Mobilität – Teil 4

Lebenswelt Mobilität Smart Services im Überblick

Die Digitalisierung des Automobils sowie die zunehmende Vernetzung von Verkehrsmitteln und der Verkehrsinfrastruktur werden in den nächsten Jahren den größten Wandel im Mobilitätssektor mit sich bringen. Der Kampf um den Kunden verschiebt sich dabei von der Fahrzeugebene auf die Ebene smarter Mobilitätsservices. Künftig steht z. B. nicht mehr das Automobil selbst, sondern verschiedene Mobilitätsangebote und damit verbundene Dienstleistungen im Vordergrund. Zentral sind dabei a) die jederzeitige Verfügbarkeit von Mobilität, die durch On-Demand-Lösungen sichergestellt wird, b) die erhöhte Sicherheit im Straßenverkehr, die durch Kommunikation der einzelnen Fahrzeuge untereinander sowie den (Daten-)Austausch der Fahrzeuge mit ihrer Umwelt ermöglicht werden, und c) der Komfort für den Bürger, der durch verschiedene angebundene Services von seinen (Fahr-)Aufgaben entlastet wird und zahlreiche Mehrwertleistungen angeboten bekommt, wie z. B. Entertainment- Lösungen, die ihm das Fahrerlebnis so angenehm wie möglich machen. Der Kunde erhält individuelle ‚Smart Mobility‘-Dienstleistungen bedarfsgerecht je nach seinen persönlichen Präferenzen. 

1. Connected Car

Laut einer PwC-Studie beträgt die jährliche Wachstumsrate vernetzter Fahrzeuge bis zum Jahr 2022 annähernd 25 %. In den nächsten Jahren werden daher nahezu alle neu produzierten Fahrzeuge mit dem Internet verbunden sein. Dadurch können Informationen und Daten mit anderen Verkehrsteilnehmern, Objekten in der Umgebung oder der Cloud ausgetauscht werden. Der Fahrer eines Connected Car wird über Umweltkonditionen, wie bspw. Verkehrsinformationen und Wetterdaten, informiert, erhält Hinweise von verbundenen Ampelsystemen oder Beschilderungen und tauscht Daten zur Position und Geschwindigkeit mit anderen Verkehrsteilnehmern aus. Dadurch können Wege optimiert und das Ziel schneller erreicht werden. Der Datenaustausch und die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern helfen zudem, den Verkehr sicherer zu machen und Unfällen vorzubeugen. In diesem Zusammenhang wird oft von der Car-to-Car- bzw. der Car-to-Infrastructure-Kommunikation gesprochen. Daneben ist die fahrzeuginterne Kommunikation ein weiterer Anwendungsfall im Rahmen des Connected Car. Durch im Fahrzeug verbaute Sensorik können potenzielle Mängel vom Fahrzeug selbst erkannt werden, und in den gegebenen Fällen erhält der Fahrer eine Benachrichtigung, die mit einer Handlungsempfehlung sowie einem Hinweis auf die nächste Werkstatt verknüpft sein kann. Dadurch können schadenvorbeugende Maßnahmen ergriffen und Reparatur- und Serviceleistungen optimiert werden. Zunehmend gehören zu den fahrzeuginternen Daten auch Sensoren, die im Sitz oder im Lenkrad eingebaut sind und die Vitalparameter des Fahrers messen, um Müdigkeit und gesundheitliche Beeinträchtigungen frühzeitig zu erkennen. Durch die Vernetzung mit der Umwelt und die Ausstattung mit einem Internetzugang wird ein Echtzeit-Daten-Austausch mit anderen Verkehrsteilnehmern und Geräten ermöglicht, und dem Fahrer stehen zahlreiche digitale Services zur Verfügung, die er während der Fahrt nutzen kann. Dazu gehören Navigationssysteme, Fahrassistenzsysteme, Entertainmentdienste und viele mehr. Darüber hinaus sind die gewonnenen Daten und Schnittstellen nicht nur zum Zweck der Verkehrssteuerung, sondern auch zur Strafverfolgung und für Versicherungsunternehmen nutzbar. Auch lassen sich gezielt personalisierte Werbung sowie standort- bzw. kontextspezifische Angebote einspielen. Bspw. können in der Umgebung befindliche Sonderaktionen, Events oder Spritpreise im Fahrzeugdisplay angezeigt werden. Neben Bewegungsdaten entstehen im Zusammenhang mit dem Connected Car viele weitere Daten, die durch GPS, Kameras und Sensoren erfasst und verarbeitet werden und durch Nutzungs- und Verhaltensdaten des Fahrers angereichert werden können. Damit gibt der Fahrzeugnutzer einen umfangreichen Einblick in sein Fahrverhalten, seine Nutzungsgewohnheiten bis hin zu Konsumpräferenzen. Neben Fahrzeugdaten können Daten zum Fahrverhalten und -stil, zum Musikgeschmack, Kommunikationsdaten sowie Bewegungsprofile ausgelesen und verarbeitet werden. Das Connected Car stellt die Voraussetzung für weitere Smart Services, wie bspw. das Car- oder Ridesharing und das autonome Fahren, dar.

2. Carsharing und Ridesharing

Carsharing meint die gemeinschaftliche Nutzung von Fahrzeugen und deren spontane und kurzfristige Anmietung auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung. Damit wird Carsharing dem Trend der Sharing Economy und der On-Demand-Lösungen gerecht, indem je nach Bedarf spontan und ortsunabhängig Mobilität bereitgestellt wird. Zur Nutzung von Carsharing stellt der Kunde seine Anmeldedaten und seinen Standort über eine App zur Verfügung. In der Folge kann er nahegelegene Fahrzeuge der Carsharing-Flotte ausfindig machen und per App reservieren. Die Fahrpreisabrechnung erfolgt nach in Anspruch genommener Leistung, meist minutengenau. Unterhaltskosten und andere Fixkosten sind in die Nutzungsgebühren eingepreist; dadurch zahlt der Fahrer nur, solange er den Service in Anspruch nimmt, und er muss keine gesonderten Sprit- oder Parkkosten aufwenden. Neben der Bereitstellung und Kurzzeit-Vermietung können dem Kunden ergänzende Dienstleistungen vor, während und nach der Fahrt angeboten werden. Beispielsweise kann der Kunde während des Supermarkteinkaufs kostenlos parken und dabei Rabatte im Lebensmittelmarkt erhalten. Im Rahmen des Carsharings werden personenbezogene Daten einschließlich der individuellen Bewegungsdaten über GPS, also u. a. Fahrstrecken, Fahrzeiten, Geschwindigkeiten, das Beschleunigungs- und Bremsverhalten, gesammelt, ferner Daten über das benutzte Fahrzeug. Neben Automobilen können im Rahmen des Bikesharings auch Fahrräder zur Kurzzeitmiete angeboten und damit gemeinschaftlich genutzt werden. Ein anderer, dem Carsharing verwandter Smart Service ist das Ridesharing, bei dem ebenfalls die gemeinsame Nutzung eines Fahrzeugs im Mittelpunkt steht. Im Unterschied zum Carsharing erfolgt die Nutzung des Fahrzeugs jedoch zeitgleich durch verschiedene Personen (Fahrgemeinschaft). Die Organisation des Ridesharings erfolgt über eine Plattform, auf der anderen Nutzern das eigene Auto zur Mitfahrt angeboten oder selbst nach Mitfahrgelegenheiten gesucht werden kann. Außer im Rahmen von geplanten Fahrten (Bsp. Blablacar) ist auch das spontane Teilen von Fahrdienstleistern möglich (Bsp. Uber). Insbesondere beim spontanen Ridesharing sind Bewegungs- und Standortdaten Grundvoraussetzung für die Bereitstellung des Smart Services. 

3. Autonomes Fahren

Die Fahrzeugtechnik befindet sich aktuell in der Entwicklungsstufe der Teilautomatisierung: Das teilautonome Fahrzeug kann vorausfahrenden Automobilen auf geraden Strecken folgen, dabei die Spur und den Abstand halten und bei Ver kehrsstau Fahraufgaben auch vollständig übernehmen. In Zukunft ist der vollständig autonome Verkehr möglich, bei dem das Automobil in jeder Situation alle Fahrfunktionen übernimmt und die Fahrt zum automatisierten Shuttle Service wird. Die Fahrtzeit kann dann für andere Zwecke genutzt werden und das Fahrzeug verwandelt sich in einen Ort für neue Dienstleistungen. Somit wird das Automobil nicht länger ein reines Fortbewegungsmittel sein, sondern es entwickelt sich zum mobilen Arbeitsplatz, Restaurant oder Hotelzimmer. Der Friseur kann seinen Kunden vor der Haustür abholen und ihn während des Haarschnitts zum nächsten Termin bringen. Das autonome Fahren erzeugt damit einen hohen Komfort und Zeitersparnisse. Ein autonomer Transportservice kann zudem im ländlichen Raum lebende Personen oder ältere Menschen mobiler machen. Ermöglicht wird das autonome Fahren durch eine Echtzeit-Datenanalyse, die mittels Sensoren und Aktoren erfasste Daten wie Lichtzeichen, Verkehrsschilder und andere Verkehrsteilnehmer verarbeitet und intelligent verknüpft. 

4. Verkehrsüberwachung

Insbesondere in der VR China ist die digitale Verkehrsüberwachung mittels Datenaufzeichnung auf dem Vormarsch. Vernetzte Kameras und Messsysteme erfassen zahlreiche Daten im öffentlichen Raum, die sich mittels Bilderkennung und künstlicher Intelligenz automatisiert auswerten lassen und eine Reihe neuer Geschäftsmodelle hervorbringen. So lassen sich bspw. Verkehrsflüsse mittels der gesammelten und analysierten Daten steuern: Vernetzte und mit Sensoren versehene Ampelanlagen erfassen Bild- und Audiodaten und optimieren mit einer smarten Signalsteuerung den Verkehrsfluss, um Staus und Unfälle zu vermeiden. Dies zeigt schon heute ein Feldversuch in der Metropole Peking: Auf der Strecke zwischen Flughafen und Innenstadt wurden alle Daten aus Verkehrsleitsystemen, Kameras und Fahrzeugen mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet. Dadurch ließ sich das Verkehrsaufkommen in den darauffolgenden 45 min vorhersagen. Anschließend konnte der Verkehr so gesteuert werden, dass es auf dieser Verbindung keinen Stau mehr gab. Automatisierte Verkehrsüberwachungssysteme sind damit in der Lage, das Verkehrschaos in der Stadt zu lösen. Die in der Verkehrsüberwachung aufgezeichneten Daten sind Fahrzeugdaten, Bewegungsdaten, Audio- und Bilddaten sowie personenbezogene Daten. Zudem dient die Verkehrsüberwachung dazu, regelwidriges Verhalten zu erkennen und automatisiert Schritte einzuleiten. Fahrzeuge und Personen, die sich verkehrswidrig verhalten, werden über das Nummernschild oder mittels Gesichtserkennung identifiziert, computergesteuert werden alle weiteren relevanten Daten zusammengetragen, und eine Ahndung des Regelverstoßes kann ohne menschliche Interaktion erfolgen. Dabei werden neben fest installierten Kamerasystemen mittlerweile auch Drohnen eingesetzt, die die mobile Verkehrsüberwachung noch flächendeckender ermöglichen. 

5. Connected Mobility

Die bisher betrachteten Smart Services beruhen vorrangig auf dem Automobil als Mobilitätsträger. Daneben bestehen viele weitere Verkehrsmittel, deren Verknüpfungen weitere Smart Services hervorbringen. Anbieter wie bspw. moovel bündeln das Angebot verschiedener Mobilitätsdienstleister und Verkehrsformen auf einer Plattform und ermöglichen ihren Nutzern damit Informationen über den Zugang zum individuell besten Angebot. Verknüpft werden im Rahmen solcher Connected-Mobility-Services typischerweise Car- und Ridesharing, öffentliche Verkehrsmittel, wie Busse und Züge, sowie Fahrdienstvermittlungen (Taxi). Der Nutzer gibt hierfür seinen aktuellen Standort oder einen anderen beliebigen Startpunkt sowie seinen Zielort ein und erhält Informationen über die verschiedenen Reisemöglichkeiten. Neben der Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln werden auch Leihfahrräder in der Nähe angezeigt, und zusätzlich hat der Nutzer die Möglichkeit, über die Plattform ein Taxi zu bestellen. Der Kunde spart dadurch Zeit und kann bequem in nur einer App Reisemöglichkeiten vergleichen und, je nach Anbieter und bestehender Kooperation, die für ihn beste Option direkt über die Plattform buchen. Voraussetzung für das Angebot einer solchen Plattform ist ein umfassender Datenaustausch zwischen den einzelnen angebundenen Mobilitätsdienstleistern. Zugangs- und Kundeninformationsdaten werden nur einmal eingegeben (bzw. aus dem Google- oder Facebook-Konto abgerufen) und stehen für alle weiteren Dienste zur Verfügung.  

Ausgewählte Geschäftsmodelle innerhalb der Smart Services ReachNow

1. Beschreibung des Geschäftsmodells

Die Mobilitätsplattform ReachNow wurde 2016 von BMW ins Leben gerufen. Anfangs war ReachNow ausschließlich in Seattle verfügbar, das Angebot wurde dann aber auf andere Bundesstaaten ausgedehnt und ist seit 2017 auch in Chengdu, China, und damit außerhalb der USA nutzbar. ReachNow kombiniert auf seiner per Smartphone erreichbaren Mobilitätsplattform verschiedene Mobilitätsangebote miteinander und stellt seinen Kunden damit eine flexible Lösung zur Verfügung, die von überall in Anspruch genommen werden kann. Der Kunde kann dabei zwischen unterschiedlichen Fortbewegungsmöglichkeiten entscheiden und die für ihn beste Option per Knopfdruck auswählen und buchen. Zwar sind darin auch Kooperationen mit dem öffentlichen Nahverkehr enthalten, im Vordergrund steht jedoch – sicher auch mit Blick auf den Mutterkonzern – nach wie vor das Automobil. ReachNow bietet drei unterschiedliche Services: Erstens enthält das Angebot die klassische Vermietung von Fahrzeugen. Dabei kann der Kunde per interaktiver App sehen, welche Fahrzeuge wo in der Nähe bereitstehen, das Wunschfahrzeug reservieren und für die geplante Fahrt freischalten. Alle Daten zum Standort, zur Verfügbarkeit sowie verschiedene weitere technische Informationen zum Fahrzeug werden zentral auf der Plattform gespeichert und können jederzeit von den Nutzern eingesehen werden. Das Angebot unterscheidet sich damit kaum von anderen Carsharing-Angeboten wie bspw. DriveNow oder Car2Go. Neben dem klassischen Carsharing bietet ReachNow aber zweitens mit dem Chauffeurdienst und drittens mit dem Reservierungs- und Zustellservice weitere Leistungen: Der Chauffeurdienst als Premiumfunktion der App ist ähnlich dem Angebot von Uber oder DiDi, d. h. auch hier werden dem Nutzer verfügbare Fahrzeuge inklusive Fahrer angezeigt, die per App ausgewählt werden können und den Nutzer auf Wunsch innerhalb weniger Minuten von seinem Standort abholen. Beide Parteien, also ReachNow-Kunde und der Fahrer, sind dabei miteinander verbunden: Kontakt- und Standortdaten werden geteilt, sodass der Standort des jeweils anderen jederzeit verfügbar ist. Der Kunde erhält in Echtzeit Informationen über die voraussichtliche Ankunftszeit des Fahrers. Das dritte Angebot, der Reservierungs- und Zustellservice, ist die On-Demand-Lösung der Plattform und erinnert eher an eine Bestellung bei Amazon als an die heute in Deutschland verfügbare Autovermietung: Auf Wunsch wird dem Kunden ein Fahrzeug nach Hause oder zu einem beliebigen anderen Ort gebracht. So kann der Nutzer bspw. angeben, am nächsten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit ein bestimmtes Fahrzeug für seinen Weg ins Wochenende zu wünschen, das dann pünktlich vor seiner Haustür bereitsteht. Wird das Fahrzeug nicht weiter benötigt, kann es im ReachNow-Gebiet geparkt und damit auf sehr einfache Weise zurückgegeben werden. Die App informiert den Kunden auch über geeignete Parkflächen. Mittelfristig sollen BMW- und Mini-Eigentümer zudem in der Lage sein, ihren Privatwagen über ReachNow zu vermieten. 

Bei ReachNow kann der Kunde aus über 1000 Fahrzeugen von BMW und Mini auswählen. Von Automobilen mit klassischen Verbrennungsmotoren über Hybride bis hin zu Elektrofahrzeugen steht je nach Präferenz ein passendes Fahrzeug zur Verfügung. Dadurch erhält der Kunde Zugang zu aktuellen Fahrzeugmodellen verschiedener Klassen und Antriebsformen. Um dem Kunden weiteren Komfort zu bieten, haben die Fahrer die Möglichkeit, ihr Smartphone mit dem Entertainment-System des Automobils zu verbinden und so die eigene Musik abzuspielen sowie Messengerdienste und (Video-)Telefonie während der Fahrt in Anspruch zu nehmen. Der Nutzer kann somit die Fahrtzeit im fremden Mietwagen individuell gestalten, was ein hohes Maß an Convenience bedeutet. Dem Anbieter eröffnen sich erneut Anknüpfungspunkte zur Datensammlung sowie zur Anbindung weiterer Services. Gesamtgesellschaftlich betrachtet wird jedes Fahrzeug, das unter einem Geschäftsmodell wie ReachNow betrieben wird, dank der geteilten Nutzung effizienter ausgelastet. In letzter Konsequenz sinken mit den komfortablen Nutzungsmöglichkeiten per App auch die Motivation und Notwendigkeit, überhaupt ein eigenes Fahrzeug zu besitzen, das die meiste Zeit ohnehin nur geparkt am Straßenrand oder in der Garage steht. Auf längere Sicht entstehen damit insbesondere in den Städten, in denen der Raum ohnehin begrenzt ist, viele wieder alternativ nutzbare Flächen, die bislang von massenhaft parkenden Fahrzeugen in Anspruch genommen werden. 

2. Geschäftsmodellanalyse nach dem Business Model Canvas

Das Wertangebot von ReachNow liegt in der flexiblen und komfortablen Bereitstellung von Mobilität, die von den Kunden einfach und transparent genutzt werden kann. Ziel des Angebots ist es, individuelle Mobilität je nach Standort, Zielort, Zeitplanung, sonstigen Präferenzen und Budget zu ermöglichen. Neben kurzfristigen On-Demand-Lösungen bietet ReachNow auch Langzeitmieten an, die u. a. auch für Nutzer-Communities zur Verfügung stehen. So können bspw. Firmen oder Wohngemeinschaften ein Fahrzeug mieten und die Nutzung des Fahrzeugs untereinander aufteilen. Abgesehen von der Gruppen-Vermietung an Unternehmen (B2B2C) richtet sich das Angebot von ReachNow an das Kundensegment der Endverbraucher (B2C). Zwar wird dabei keine spezielle Kundengruppe fokussiert, die Nutzer werden jedoch häufig in urbanen Gegenden zu finden sein und typischerweise kein eigenes Auto besitzen. Der vorrangig genutzte Kanal ist die ReachNow-App. Zwar gibt es auch eine Webseite sowie Aktivitäten auf verschiedenen sozialen Median, die als Kommunikationskanäle dienen; die eigentliche Nutzung und damit der Distributionskanal des Wertangebots beschränkt sich allerdings auf die ReachNow-App. Die Kundenbeziehung ist durch einen hohen Grad an Automatisierung und Individualisierung gekennzeichnet. Es gibt kaum einen persönlichen Kontakt, vielmehr enthält die ReachNow-App eine Reihe unterschiedlicher Self-Service-Optionen, über die der Kunde seine individuelle Dienstleistung buchen kann. Aktuell hat ReachNow über 100.000 Kunden, die mit dem Reach- Now-Service bislang mehr als 1,2 Mio. km gefahren sind. Die Einnahmequellen von ReachNow setzen sich aus einmaligen Mitgliedsgebühren (15 US$) und Nutzungsgebühren für die verschiedenen Dienstleistungen zusammen. Die Fahrzeugnutzung wird dem Kunden dabei pro Minute oder bei Langzeitmieten als Tagessatz in Rechnung gestellt. Die Schlüsselaktivitäten zur Umsetzung des Geschäftsmodells bestehen im Betrieb der Plattform, der Bereitstellung und Verwaltung/Pflege der Fahrzeuge sowie der Koordination der angebundenen Partner. Neben der Bereitstellung verschiedener Mobilitätslösungen können auch die in der App erfassten Daten über das Nutzungsverhalten und die Fahrgewohnheiten genutzt werden, um dem Kunden weitere individualisierte Angebote zu stellen. Dies kann durch ReachNow selbst oder die angebundenen Schlüsselpartner erfolgen: Über verschiedene Kooperationen mit lokalen Regierungen, anderen Mobilitätsanbietern, Parkplatzbetreibern u. a. werden weitere Dienstleistungen angeschlossen, Rabatte gewährt und die Kundenbindung gefördert. Zudem investiert BMW in die städtische Infrastruktur, bspw. durch die Installation von Ladesäulen. Dadurch können wiederum neue Daten zu Ladezeiten und Tarifen gesammelt werden. Es zeigt sich, dass neben den Fahrzeugen die bereitgestellten und gewonnenen Kundendaten eine Schlüsselressource des Geschäftsmodells von ReachNow darstellen. Essenziell sind vor allem die Standort-Daten, die mittels GPS von jedem Fahrzeug sowie allen Nutzern jederzeit bereitstehen und abgerufen werden können. Dadurch ist es möglich, den Nutzern Fahrzeuge in der Nähe anzuzeigen und in Echtzeit nachzuverfolgen, wo sich der Nutzer und das Automobil gerade aufhalten. Neben den Standort- und Bewegungsdaten spielen die Nutzungs- und Verfügbarkeitsdaten eine wichtige Rolle. Jede Fahrzeugnutzung wird aufgezeichnet und alle Informationen über den Zustand des Wagens oder bspw. den Ladestatus von Elektrofahrzeugen sind jederzeit präsent. Auch dadurch kann die Ressource ‚Fahrzeuge‘ optimiert werden. Angereichert werden die Nutzungs- und Fahrverhaltensdaten der Kunden durch Daten, die im Rahmen der verschiedenen Kooperationen von ReachNow entstehen. ReachNow erhält damit u. a. Informationen, wohin der Nutzer mit dem Auto fährt, wie schnell oder vorsichtig dies geschieht, wie oft er dabei telefoniert und welche Entertainment-Angebote genutzt werden. Dies ermöglicht es ReachNow wiederum, den Kunden passgenaue Produkte oder Dienstleistungen anzubieten – womit die Rückkopplung zu den Wertangeboten vollzogen wird.

Tesla Software Version 9

1. Beschreibung des Geschäftsmodells

Die Tesla Software Version 9 ist ein Fahrassistenz-System, das bei Model S, Model X und Model 3 der Automobile von Tesla eingesetzt wird und diese Fahrzeugmodelle zunehmend autonom steuert. Mit jedem weiteren Softwareupdate erhält das System neue Funktionen, die weitere Aufgaben des Fahrers übernehmen und damit dem Ziel des autonomen Fahrens näherkommen. Zwar trägt der Fahrer noch die Verantwortung und muss die Kontrolle über das Fahrzeug und die Verkehrslage behalten, viele Schritte werden aber bereits selbstständig durch das Fahrzeug durchgeführt. Dazu gehören eine hindernisabhängige Fahrzeuggeschwindigkeit sowie die Kombination aus Lenkassistent und Spurwechselassistent, die den selbstständigen Spurwechsel des Fahrzeugs ermöglicht. Soll die Spur gewechselt werden, reicht ein einfaches Antippen des Blinkers. Mithilfe der am Fahrzeug angebrachten 360-Grad-Kameras beobachtet das Fahrzeug den Verkehr der benachbarten Spuren und wechselt im geeigneten Zeitpunkt auf die angrenzende Fahrbahn. Neben dem Spurwechsel ist damit auch die eigenständige Nutzung von Autobahnausfahrten möglich, wobei das Navigationssystem mittels der bereitgestellten Daten die optimale Route und die passende Ausfahrt selbst auswählt – die mit dem Lenk- und Spurwechselassistenten selbstständig befahren werden kann. Auch Anschlussstellen kann der Autopilot selbstständig ansteuern. Unterstützend wirkt dabei die ebenfalls neu verfügbare Totwinkelwarnung, mit der nun auch die Seite und das Heck des Autos kontrolliert werden und die vor Hindernissen im toten Winkel der Spur warnt, auf die eingeschert werden soll. Radfahrer oder andere Verkehrsteilnehmer werden vollautomatisch registriert und die Geschwindigkeit wird der Gefahrensituationen zur Unfallvermeidung angepasst. Die Anpassung der Fahrtgeschwindigkeit an den Verkehr erfolgt selbstständig durch das Automobil, ohne dass ein manueller Eingriff erforderlich ist. Über acht außen am Fahrzeug befindliche Kameras zeichnet Tesla Videodaten über die Fahrzeugumgebung auf, die in Echtzeit im Bordcomputer verarbeitet werden. Dabei werden Informationen mit einer Reichweite von bis zu 250 m einbezogen. Die 360-Grad-Visualisierung des Fahrzeugs gewährleistet eine ganzheitliche Überwachung des Verkehrs und unterstützt die Reaktion auf die wahrgenommene Umgebung. Dafür werden durch die Software Version 9 neben Video- auch Ultraschall- und Radarsignaldaten analysiert, sodass auch durch dichten Nebel oder vorausfahrende Fahrzeuge hindurch Daten gesammelt werden können. Die Videodaten können aufgezeichnet und gespeichert werden.

Dadurch soll bspw. bei einem Unfall die Ursache leichter aufgedeckt werden können. Ergänzend werden weitere Funktionen, wie die Parkplatzsuche und das Einparken, autonom vom Fahrzeug durchgeführt. Allein die rechtliche Situation erfordert (noch) das Vorhandensein eines menschlichen Insassen mit Führerschein. 

2. Geschäftsmodellanalyse nach dem Business Model Canvas

Bei der Geschäftsmodellanalyse nach dem Business Model Canvas muss zwischen dem Geschäftsmodell Tesla und der Softwareversion 9 unterschieden werden. Einige der Kernelemente des Business Model Canvas können für die Version 9 nicht angewandt werden; insoweit erstreckt sich dann die Analyse auf das Geschäftsmodell von Tesla im Allgemeinen.

Das Wertangebot der Tesla Version 9 liegt vornehmlich in der Unterstützung des Fahrers bei seinen Fahraufgaben. Durch teilautonomes Fahren wird der Fahrer entlastet, und er soll künftig in der Lage sein, sich während der Fahrt auf andere Interessen als das Steuern seines Fahrzeugs zu konzentrieren. Zudem sollen Unfälle vermieden und zu einer höheren Verkehrssicherheit beigetragen werden. Soweit dennoch Unfälle eintreten, sollen die Erfassungs- und Beweismöglichkeiten für die Verursachung verbessert werden. Daneben ist der Prestige-Gewinn eines autonom gesteuerten Oberklassefahrzeugs für viele Kunden ein weiteres Kaufargument. Das angesprochene Kundensegment von Tesla-Fahrzeugen sind vorrangig Endkunden (B2B), ebenso sind aber auch B2B2C-Lösungen, bspw. über Leasing, möglich. Im B2B-Markt stellt das Fahrzeug besonders für innovative oder ökologisch orientierte Unternehmen eine Alternative zu herkömmlichen Oberklassedienstwagen dar. Als konkrete B2C-Zielgruppe stehen Nutzer höherer Einkommensklassen im Vordergrund, die technologischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen sind. Die Kundenbeziehung und -bindung werden über das Fahrzeug selbst gepflegt, indem regelmäßige Updates erscheinen und dadurch der Kontakt zu Tesla fortdauernd aufrechterhalten wird. Neben dem Fahrzeug selbst sind für Tesla die Flagship-Stores in ausgewählten Städten ein wichtiger Kanal, über den mit dem Kunden interagiert und Fahrzeuge abgesetzt werden. Des Weiteren werden unterschiedliche Foren und Communitys als Kommunikationskanäle genutzt, über die Tesla Kunden gewinnen und binden möchte. Primäre Einnahmequelle ist der Verkauf von Fahrzeugen. Daneben werden auch durch die Nachrüstung bspw. mit Kamerapaketen sowie über Reparaturen und Wartungsarbeiten Einnahmen generiert. Eine zusätzliche, wenn auch nur kleine Einnahmequelle sind Subventionen der Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Bereich autonomer Fortbewegung, die Tesla von unterschiedlichen Institutionen oder Förderprogrammen erhält. Daneben ermöglichen wiederum Kundendaten das Anbinden zusätzlicher Services, die eine zusätzliche Einnahmequelle darstellen können. Die Schlüsselaktivitäten, die zur Umsetzung des Geschäftsmodells notwendig sind, sind die Forschung und Entwicklung sowie die Produktion von Fahrzeugen. Die Software, die die autonome Fortbewegung steuert, bindet keine Kooperationen ein, weshalb es insofern keine Schlüsselpartner gibt. Als Grund hierfür nennt Tesla die Gefahr eines Verlusts von Know-how und erhöhter Fehleranfälligkeit bei verteilten Kompetenzen. Kooperationen und Partnerschaften gibt es nur bei Tesla-Komponenten, die keine autonomen Fahrfunktionen steuern (bspw. Partnerschaften im Bereich der Ladestationen und der Batterieentwicklung). Damit umfangreichere Daten generiert werden können, fallen Kosten für die Softwareentwicklung an, und die Fahrzeuge müssen entsprechend aufgerüstet und mit Kamerasystemen und Sensoren ausgestattet sein. Außerdem verursachen die Pflege der IT-Systemlandschaft und die Rechenzentren, die von Tesla eingesetzt werden, hohe Kosten. Zu den Schlüsselressourcen von Tesla zählen zunächst Rohstoffe und Personal zur Entwicklung und Produktion von Fahrzeugen. Die Schlüsselressource des Systems, das das autonome Fahren ermöglicht, ist die Tesla-Software, die wiederum nur mit den Fahrzeug- und Umgebungsdaten funktioniert – die also letztlich maßgebliche Schlüsselressourcen für das Wertangebot von Tesla darstellen.

Spannungsfeld Datennutzung und Datenschutz

Datengetriebene Services in der Lebenswelt Mobilität bieten nicht nur eine höhere Sicherheit im Straßenverkehr, sie ermöglichen auch eine neue Form der Flexibilität und Bequemlichkeit, bei der zahlreiche unterschiedliche Mobilitätsformen jederzeit und für jeden bereitstehen. Darüber hinaus enthalten Smart Services in der Lebenswelt Mobilität zahlreiche Komponenten, die den Komfort der Bürger erhöhen, wenn sie sich im öffentlichen Raum bewegen. Beispielsweise können bequem verschiedene Transportmittel für eine Reise nach den Präferenzen der Nutzer aufeinander abgestimmt und miteinander verknüpft werden, bei Autofahrten wird die Parkplatzsuche erleichtert oder obsolet, und die Bezahlung erfolgt einfach per App. Ermöglicht wird dies durch das Erkennen und Auswerten der Bedürfnisse und typischen Verhaltensweisen verschiedener Straßenverkehrsteilnehmer, die Bereitstellung verschiedener Mobilitätsformen, ergänzender Services sowie Bezahlsysteme. Im Hinblick auf die Datenerhebung ergibt sich in der Lebenswelt Mobilität eine Besonderheit: Zum einen geht es um die eigenen Daten, die bspw. ermöglichen, dass jederzeit und von überall auf verschiedene Dienste zugegriffen werden kann (Bsp. Apple CarPlay) oder auf Basis persönlicher (Standort-) Daten nutzerorientierte Empfehlungen abgegeben werden (Bsp. Google Maps). Daneben ist im Bereich der Mobilität auch die Interaktion mit anderen Personen und Objekten erforderlich (z. B. bei Navigationsservices und beim autonomen Fahren), d. h. es müssen auch Daten Dritter verfügbar sein und verarbeitet werden, um smarte Services zum Nutzen aller zu generieren. Dies sei noch etwas näher erläutert: Moderne Fahrzeugmodelle sammeln mit einer großen Menge eingebauter Sensoren schon heute Daten über die gefahrene Geschwindigkeit, das Beschleunigungs-/ Brems- und Kurvenverhalten, die gefahrenen Gänge und Drehzahlen, die Abstimmung des Fahrgestells (z. B. Öko, Komfort, Sport), womöglich auch den eingestellten Radiosender und natürlich die Ausgangs- und Zielorte sowie Routen. Dadurch können relevante Informationen zum Fahrzeug und dessen Nutzung ausgewertet werden. Zugleich werden Verhaltensdaten der Fahrer erfasst, die dazu geeignet sind, Bewegungsprofile zu erstellen, das Fahrverhalten zu analysieren, um auf dieser Grundlage Smart Services anzubieten.  So ermöglichen Standort- und Bewegungsdaten überhaupt erst die Lokalisierung einer Person und/oder ihres Fahrzeugs. Dadurch können geeignete Angebote in der Nähe ausfindig gemacht werden (bspw. Tankstellen, Parkplätze, Restaurants, Sehenswürdigkeiten) und in Kombination mit den Standort- und Bewegungsdaten anderer Personen und Fahrzeuge eine Einordnung in das Umfeld sowie ein Gesamtbild der Verkehrssituation erzeugt werden. Solcherart Daten werden bspw. von Navigationsgeräten genutzt, um das Verkehrsaufkommen zu analysieren und zu prognostizieren sowie optimale Verkehrsrouten zu bestimmen – und damit zu einer effizienten Verkehrssteuerung (weniger Staus, weniger Unfälle) beizutragen. Zudem ermöglicht der gesamthafte Verkehrsüberblick, akute Gefahrensituationen zu erkennen (z. B. ein brennendes Fahrzeug hinter einer Kurve auf der Landstraße), um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten und die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Wie in anderen Lebenswelten auch, ist allerdings der Datenschutz ein restringierender Faktor, der im Mobilitätssektor verschiedene Aufgaben erfüllen soll. Dazu gehören der Schutz der informationellen Selbstbestimmung sowie der Privatsphäre. Soweit eine Zuordnung von Daten zum polizeilichen Kennzeichen oder der Fahrgestellnummer – bzw. letztlich zum Fahrer oder Halter selbst – erfolgt oder ermöglicht wird, handelt es sich um personenbezogene Mobilitätsdaten, die der Anwendung der EU-DSGVO unterliegen. Hinzu kommt, dass die Datenaufzeichnung nicht – wie in der Lebenswelt Wohnen vorrangig der Fall – freiwillig und im privaten, geschlossenen Umfeld erfolgt, sondern im öffentlichen Raum stattfindet und dadurch der individuelle Bürger wenig bis keine Chancen hat, sich dieser zu entziehen. Dadurch besteht die Gefahr einer Verwendung, die nicht nur Smart Services unterstützt oder vor Verkehrsdelikten und Verkehrsunfällen schützt, sondern auch eine umfassende Überwachung der Bürger ermöglicht. Sowohl Regelungen der Datenhoheit als auch des Datenschutzes sind daher auch im öffentlichen Interesse. Die vertrauensvolle Preisgabe von Informationen durch die Nutzer und ein adäquater Schutzstandard sind daher essenziell für die Entwicklung und die Nutzung smarter Mobilitätsservices. Damit ist nicht nur der Schutz vor Datenmissbrauch gemeint – wie z. B. dem Missbrauch von Bewegungsprofilen oder einer unter Umständen unfairen Bepreisung von Smart Services in Notlagen. Auch durch Hackerangriffe auf sensible Schnittstellen zwischen der Software des Fahrzeugs und anderen vernetzten Verkehrsteilnehmern und mobilitätsrelevanten Infrastruktureinrichtungen (Ampeln, Bahnübergänge, Zugbrücken, Tunnelschranken) können erhebliche Schäden angerichtet werden. Außerdem kann das Connected Car über ein Botnet11 angegriffen werden. Damit bestehen erhebliche Sicherheitsrisiken, dass Hacker die Kontrolle über die vernetzten Fahrzeuge erlangen oder zumindest die Fahrer die Kontrolle über ihre Automobile verlieren. Insbesondere während der Fahrt hätte dies fatale Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit: Unfälle könnten herbeigeführt und der Verkehr könnte vollständig gestört oder lahmgelegt werden. Wer den Zugang und die Kontrolle über die gesammelten Mobilitätsdaten erhält, wird entscheidend an der Gestaltung und dem Angebot künftiger Fortbewegungsmöglichkeiten mitwirken. Neben Automobilherstellern sind es zunehmend auch neue Wettbewerber, wie Tech-Unternehmen oder Softwareentwickler, die über ihre Plattformen und Apps insbesondere im Bereich Connected Car Einblicke in Fahrzeug- und Verhaltensdaten der Nutzer erhalten. Die Frage, wem welche Daten gehören, ist dabei oft noch nicht abschließend beantwortet. Allerdings ist auch eine zu enge Regulierung hinderlich. So warnen z. B. Automobilhersteller in Deutschland und Europa vor zu starken gesetzlichen Einschränkungen und befürchten, dass die Europäische Union im Gegensatz zu Ländern wie China oder den USA zu enge Grenzen für die Nutzung der Mobilitätsdaten setzt. Damit werden nicht nur Smart Services behindert, sondern auch die unternehmerische Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel gesetzt. Unterschiedliche länderspezifische Regelungen und divergierende Rechtsprechungen betreffen z. B. das autonome Fahren: So ist der Fahrassistent von Tesla bislang nur in den USA und (noch) nicht in der EU verfügbar.12 Aufgrund teilweise deutlich großzügigerer Datenschutzrichtlinien haben Unternehmen außerhalb Europas insgesamt weit größere Spielräume, datenbasierte Mobilitätsdienstleistungen zu erforschen und anzuwenden. Innovative Smart Services, wie das autonome Fahren und Ride Sharing, werden in jedem Fall kommen und sich weiter ausbreiten – ob die Angebote in den USA, China oder Europa entwickelt werden und in welchen Ländern die Wertschöpfung erfolgt, ist dafür nicht maßgeblich. Und sie werden mittelfristig auch ganze Branchen und Arbeitswelten verändern. Traditionelle Arbeitsplätze werden in Gefahr geraten, die durch eine intelligente und vernetzte Datenverarbeitung sowie datengesteuerte Automatisierung überflüssig werden. Das beste Beispiel ist der Taxifahrer, der zuerst durch Uber und Didi und in nicht allzu ferner Zukunft durch Künstliche Intelligenz ersetzt wird. Automobile werden zu Dienstleistungsorten, in die während der Fahrt Nachrichten übermittelt, in denen bildschirmgestützte Beratungsgespräche geführt und die Haare geschnitten werden können. Autonom gelenkte Fahrzeuge von Flottenanbietern werden zunehmend Privatwagen ersetzen, d. h. die Nachfrage nach einem eigenen Fahrzeug sinkt. Dies wird auch Druck auf politische Rahmenbedingungen erzeugen. Diesbezüglich steht Deutschland, ein Land, dessen Wirtschaft besonders stark vom Automobil abhängt (Herstellung, Finanzierung, Versicherung), im besonderen Fokus, Lösungsvorschläge anzubieten. Und dies wiederum erfordert auch die Kooperation von Politik und Gesetzgebung mit den betroffenen Branchen und Verbraucherschutzeinrichtungen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Möglichkeiten der Datennutzung und den Notwendigkeiten des Datenschutzes rund um smarte Mobilitätsdienstleistungen herzustellen.

Rolle der Versicherer

Die Lebenswelt Mobilität ist seit jeher von einer großer Veränderungsdynamik geprägt. Die Fortbewegung spielt für die Menschen immer eine große Rolle, und die Wichtigkeit einer schnellen und komfortablen Fortbewegung von A nach B gewinnt in einer zunehmend globalisierten Welt fortwährend an Bedeutung: Mehr als eine Billion Euro investieren private EU-Haushalte pro Jahr, um mobil zu sein. In Deutschland fließt jeder siebte Euro in Mobilitätsangebote, und es entstehen immer neue Mobilitätsformen. Der Mobilitätssektor ist daher von einer hohen Aufmerksamkeit geprägt, die mit einem intensiven Wettbewerb einhergeht. Nach wie vor ist das Automobil das wichtigste Verkehrsmittel, jedoch verändert sich seine Bedeutung rasant und es vollzieht sich eine Entwicklung, bei der das Auto immer weniger Symbol der Freiheit und des Status ist. Nicht nur aufgrund überfüllter Straßen verliert das eigene Fahrzeug langsam an Attraktivität und Bedeutung und wird zunehmend durch neue Mobilitätsangebote abgelöst. Auch der Einstellungswechsel weg vom ‚Eigentum‘ hin zur ‚Nutzung‘, der mit den aufkommenden Sharing-Konzepten einhergeht, verschiebt die Gewichtungen. Mit der Etablierung verschiedener Smart Services verlegt sich der Fokus von der Ingenieurstechnik und der Hardware auf agile und komfortable Lösungen. Der veränderte Markt, der bisher von Automobilherstellern und Verkehrsbetrieben geprägt war, bringt zusätzlich neue Wettbewerber mit sich. Mit den beschriebenen Smart Services in der Lebenswelt Mobilität verändert sich auch das Geschäftsmodell der Versicherer. Die zunehmende Vernetzung im Zusammenhang mit dem Connected Car bringt für die Assekuranz sowohl Potenziale als auch Herausforderungen mit sich. Durch die mit zahlreichen Sensoren ausgestatteten Automobile können Unfälle verhindert, Unfallhergänge rekonstruiert und eingetretene Schäden durch das Fahrzeug selbst gemeldet, automatisiert erfasst und begutachtet werden. Die Schadensabwicklung kann damit deutlich schneller und reibungsloser erfolgen, wozu auch neue Technologien wie Chatbots und – in der Logistik – Drohnen beitragen. Damit werden die Prozesse der Versicherer effizienter, und auch für die Kunden werden die Abläufe deutlich vereinfacht und komfortabler gestaltet. Die Abrechnung erfolgt objektiver und damit grundsätzlich fairer, Versicherungsbetrug wird eingedämmt, und nicht nur der Verwaltungsaufwand für die Versicherer sinkt durch die datengetriebenen Services, vermutlich reduziert sich auch das Streitpotenzial bei der Schadenregulierung, was im Ergebnis auch Gelassenheit und Zufriedenheit auf der Kundenseite erhöhen könnten. Jedoch ist der Zugang zu den relevanten Daten für die Versicherer erschwert. Die Daten werden von Systemen generiert, die im Fahrzeug verbaut sind, oder von Kommunikationsmedien, wie dem Smartphone. Damit sind es zunächst die Autohersteller, Telekommunikationsanbieter bzw. Tech-Konzerne, die mit dem Connected Car wertvolle Mobilitätsinformationen einschließlich Informationen über das Fahrverhalten bekommen. Schon für die Entwicklung und Etablierung von Telematik-Tarifen benötigt aber auch der Versicherer solche Verhaltensdaten, zu denen auch Zugang gewonnen werden kann, wenn der Nutzer die Informationen ausdrücklich mit dem Versicherer teilt. Während Automobilhersteller oder Tech-Unternehmen aber den Vorteil haben, anhand der ausgewerteten Daten tatsächliche Mehrwertleistungen und neue Smart Services anbieten zu können, sind die Anwendungen der Versicherer bislang noch weitestgehend auf die Kalkulation der versicherungstechnisch richtigen Prämienhöhe und damit auf eine Prämiendifferenzierung reduziert, die naturgemäß nur den ‚guten Risiken‘ nützt, also den Risiken mit unterdurchschnittlichen Schadenerwartungswerten. Nach den Regeln der Statistik ist aber immer auch rund die Hälfte der Risiken mit überdurchschnittlichen Schadenerwartungswerten unterwegs, für die Telematik-Tarife eher nachteilig wären. Abgesehen davon, dass allerdings die Korrelationen zwischen dem Fahrverhalten und der Schadenträchtigkeit noch keineswegs hinreichend sicher ermittelt sind und deshalb Telematik-Tarife noch in Kinderschuhen eines Versuchsstadiums stecken, sind damit die unmittelbaren Nutzenpotenziale auf bestimmte Kundengruppen eingeschränkt. Nur wenn es den Versicherern gelingt, über gesellschaftlich hoch akzeptierte Anreiz- und Sanktionsmechanismen die Motivation für ein ‚besseres‘ Fahrverhalten auf breiter Front zu erhöhen, ist damit ein Nutzen für die gesamte Kundschaft in der Kfz-Versicherung generierbar – bis hin zu einem Beitrag für den gesamtgesellschaftlichen Nutzen einer reduzierten Zahl von Unfällen mit Sachschäden, Verletzten und Toten. Insgesamt liegt die große Herausforderung der Versicherungswirtschaft darin, mit den neu gewonnen Mobilitätsdaten echte Mehrwerte für die Kunden und Nutzenpotenziale auch jenseits einer für einzelne Zielgruppen günstigeren Tarifierung und Prämieneinstufung zu erzeugen.

Die Rolle der Versicherer ändert sich des Weiteren durch das Car- und Ridesharing als immer mehr aufkommende Smart Services. Damit sind zunächst Herausforderungen verbunden, weil mit den Sharing-Konzepten zum einen der Gesamtbestand zu versichernder Fahrzeuge zurückgeht und sich zum anderen die klassischen Deckungskonzepte nicht mehr ohne Weiteres anwenden lassen. Zur Fortbewegung mit dem Auto ist der Bürger nicht mehr länger vom Vorhandensein eines eigenen Fahrzeugs abhängig. Damit sinkt die Nachfrage nach dem eigenen Automobil und damit auch nach privaten Kfz-Versicherungen. Der Nutzer eines Carsharing-Dienstes möchte lediglich die Möglichkeit einer flexiblen Mobilität in Anspruch nehmen, wird sich darüber hinaus jedoch mit dem Fahrzeug – das er nur für kurze Zeit nutzt – nicht weiter beschäftigen. Wichtig sind ihm lediglich die Sicherheit, der Komfort und die Effizienz der Mobilität, also die Erhältlichkeit und Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs, die eigene Fahrsicherheit sowie die Absicherung, falls doch etwas passiert … und das Ganze zu einem günstigen Preis. Der Versicherungsschutz muss in diesem Paket bereits enthalten sein, und der Nutzer möchte sich für seine flexibel und fallweise gewählten Fahrten nicht damit auseinandersetzen. Ein naheliegendes Szenario ist also, dass die Fahrzeuge künftig viel häufiger von einem OEM oder Mobilitätsanbieter und nicht vom Bürger selbst versichert werden. Die private Kfz-Versicherung dürfte damit auf Sicht immer mehr durch Policen für Fahrzeugflotten und Poolfahrzeuge abgelöst werden. Damit verändert sich nicht nur die Tarifierung, sondern auch der Zugang zum Endkunden geht für den Versicherer zunehmend verloren. Einen noch größeren Einfluss auf die Kfz-Versicherung nimmt das autonome Fahren. Es ist zu erwarten, dass das Unfallrisiko mit autonomen Fahrzeugen erheblich sinkt und einzelne Fahrzeugversicherungen für Privatpersonen und vermutlich auch Flottenversicherungen für Geschäftskunden entbehrlich werden könnten. Ohne einen Fahrzeugführer – und wenn das Fahrzeug noch nicht einmal mehr ein Lenkrad aufweist, über das in die Steuerung eingegriffen werden könnte – wird dem Nutzer des Fahrzeugs auch kein Verschulden mehr für einen Unfall zugewiesen werden können und wird folglich auch kein individueller Versicherungsschutz mehr für den Fahrzeuglenker erforderlich sein. Die Verschiebung der Risikosituation liegt damit auf der Hand: Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens sinkt, dafür erhöhen sich die Schadensummen angesichts der eingesetzten Technologie und möglicher Kumulsituationen. Für Unfälle kann kein Fahrer mehr, sondern muss der Hersteller oder müssen Komponentenlieferanten haftbar gemacht werden.

Der Fokus verschiebt sich damit von der Absicherung menschlicher Fehler auf die Absicherung technischer Ausfälle oder Manipulationen. Bereits kurz- bis mittelfristig wird die fortschreitende Entwicklung der autonomen Fortbewegung das Portfolio der Versicherer weiter verändern. Neuere, zunehmend digital vernetzte Kraftfahrzeuge mit vermehrten Assistenzfunktionen bis hin zu weitgehender oder vollkommener Autonomie haben im Gegensatz zu älteren, noch im Großen und Ganzen analogen, Fahrzeugen eine geringere Unfallwahrscheinlichkeit, und die Insassen sind besser geschützt – mit allen Konsequenzen für die Begleitung der Veränderungen durch die Versicherungswirtschaft mit Korrelationsforschungen und der Entwicklung passender Deckungskonzepte und Tarifierungssysteme. Ein weiterer, besonders wichtiger Trend in der Lebenswelt Mobilität ist die Intermodalität, also die Kombination verschiedener Verkehrsmittel. Zwar kommen die einzelnen Verkehrsmittel nach wie vor typischerweise von verschiedenen Anbietern – neue Mobilitätsformen/-angebote oftmals sogar von ganz neuen Unternehmen, wie Busanbietern (z. B. Flixbus) oder Plattformbetreibern für Car- und Ridesharing, es lassen sich aber zunehmend Konsolidierungen beobachten. Automobilkonzerne entwickeln eigene Sharing-Dienste und kaufen Mobilitäts-Start-ups auf. So hat z. B. Daimler mittlerweile u. a. den Mitfahr-Pionier flinc, das Taxi- Start-up myTaxi und auch den Carsharing-Dienst car2go übernommen. Die Zahl der relevanten Marktakteure scheint also zu sinken, und dem Kunden stehen immer mehr Angebote aus einer Hand zur Verfügung. Für den Bürger entstehen damit Vorteile: mit der moovel-App können verschiedene Verkehrsmittel für eine bestimmte Route ausgewählt, reserviert, gebucht sowie bezahlt werden und die urbane Mobilität wird für ihre Nutzer vereinfacht. Aufgrund der großen Bedeutung einer einfachen und flexiblen Kombinierbarkeit einzelner Angebote ist gerade in der Lebenswelt Mobilität die Rolle des Orchestrators von herausragender Bedeutung und als Voraussetzung für die intermodale Mobilität anzusehen. Diese Rolle wird von Versicherern schwer einzunehmen sein, da sie im Vergleich zu den Automobilherstellern über eine geringere Größe, weniger Ressourcen – inkl. des Pools an smarten Daten – und meist einen deutlich schlechteren Zugang zum Kunden verfügen. Es muss daher eher eine andere Rolle gefunden werden, sich in dieser Lebenswelt zu positionieren. Im Zusammenhang mit der Intermodalität könnte das Angebot einer Mobilitätsversicherung einen Lösungsansatz bieten. Die Versicherungspolice könnte sich damit an ein Ökosystem der vernetzten Mobilität andocken und neben Schäden bei der Nutzung einzelner Fortbewegungsmittel auch die Nichtverfügbarkeit eines Carsharing-Fahrzeugs, die Verspätung eines öffentlichen Verkehrsmittels oder den Ausfall von weitergehenden Services bzw. Mehrwertdiensten abdecken, die rund um die Mobilität von den Anbietern versprochen wurden. Mit der Absicherung von Kfz-Schäden allein wird sich im Rahmen vernetzter Fahrzeuge nicht mehr lange ein Alleinstellungsmerkmal aufrechterhalten lassen. Durch die immer seltener werdenden Schäden, die sich immer besser prognostizieren lassen, ist damit zu rechnen, dass die verbleibenden Schäden künftig auch. von den Automobilherstellern selbst übernommen werden (wie beispielsweise bei Tesla). Eine Neuausrichtung ist für die Versicherer daher unumgänglich.

Zur einfacheren Lesbarkeit wurden die Quellenverweise entfernt. 

Fred Wagner, Theresa Jost in: Die Big Data-Debatte; Springer, 2019

https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-27258-6_2

http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de


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