Teil 1 Bürgerschreck und Hoffnungsträger in privaten Lebenswelten
Grundlagen zum Konzept der Lebenswelten Begriff der Lebenswelten
Jeder Mensch befindet sich und handelt in verschiedenen Lebenswelten. Eine erste einfache Definition gibt der Duden und beschreibt eine Lebenswelt als „persönliches Umfeld; Welt, in der sich jemandes Leben abspielt“. Seine Wurzeln hat der Begriff ‚Lebenswelt‘ in der philosophischen Strömung der Phänomenologie und er wurde insbesondere durch den Philosophen Edmund Husserl geprägt. Nach seiner Definition umfassen Lebenswelten den menschlichen Wirklichkeitsbereich und dessen egologische Beziehung zur Umwelt. Es ist das Erleben einer Welt, die von Anderen mit vergleichbarer Haltung und Erfahrungsschatz gleichartig empfunden wird. Eine Lebenswelt erklärt das Umfeld, das ein Subjekt (oder eine Gruppe) im Alltag wahrnimmt und in dem es sich bewegt. Diese Wahrnehmung wird zum Bestandteil seiner subjektiven Lebenswelt. Die Subjektivität führt dazu, dass Lebenswelten von jedem Menschen anders wahrgenommen werden und daher nicht objektiv abgegrenzt werden können. Eine Lebenswelt kann für eine einzelne Person über eine Spannbreite bestimmt sein, die sich von übergeordneten Themen (wie Wohnen, Gesundheit und Mobilität) bis hin zu kleinsten Erlebnisbereichen erstrecken kann. Auf der Definition von Husserl aufbauend, beschreiben Schütz und Luckmann die Lebenswelt als „Wirklichkeit, an der der Mensch in unausweichlicher, regelmäßiger Wiederkehr teilnimmt“. Die Verwendung des Ideenansatzes der Lebenswelten eröffnet in vielerlei Hinsicht Chancen. Theoriekonzepte sowie praktische Vorgehensweisen, die auf Lebenswelten basieren, haben den Vorteil, ganzheitlich angelegt zu sein. Lebenswelten berühren aus der Sicht von Bürgern alle möglichen Themenfelder des alltäglichen Lebens und unterscheiden sich in ihrer Komplexität und Tiefe. Allgemeiner berühren Lebenswelten den Handlungsraum, das Umfeld oder die Denkweise, in denen sich Bürger täglich bewegen. Sie lassen sich nach ihrer Identität, ihrer Struktur und ihrem räumlichen Bezug unterscheiden. Meist werden Lebenswelten im privaten und geschäftlichen Kontext differenziert. Jedoch überschneiden sich Lebenswelten oft und können, je nach Situation oder Perspektive, ineinander übergehen. Daher haben Lebenswelten eine gewisse Unschärfe. Viele Lebenswelten von Bürgern können einer bestimmten Klientel zugeordnet werden, spiegeln eine bestimmte Orientierung wider und können Aufschluss über ‚die Lebensweise‘ geben. Damit geben Lebenswelten teilweise auch Einsichten in die physische und psychische Kondition eines Bürgers. Auch daraus ergibt sich, dass Lebenswelten nicht konstant sind, sondern sich im Verlauf des Lebens je nach aktueller Lebenssituation und Umweltfaktoren dynamisch verändern. Ein wichtiger Einflussfaktor sind dabei gesellschaftspolitische Entwicklungen und der technologische Fortschritt, der sich auf die Lebenswelten auswirkt, in denen Bevölkerungsgruppen zu Hause sind.
Tatsächliche Lebenswelten aus Sicht von Bürgern
Lebenswelten können von großen Themenkomplexen geprägt, aber auch sehr fein untergliedert sein. Eine objektive und pauschale Kategorisierung ist nicht möglich, vielmehr sind subjektive und standpunktabhängige Kriterien hinzuzuziehen. Zudem weichen die Auffassungen über die Relevanz und Abgrenzung bestimmter Lebenswelten in verschiedenen Ländern stark voneinander ab. Aus Sicht von Bürgern ist damit die Einteilung der Lebenswelten nicht immer trennscharf und für alle Milieus gleichermaßen umsetzbar, da je nach Kontext, sozio-ökonomischen und kulturellen Unterschieden Lebenswelten sehr differenziert wahrgenommen werden. Es ist allerdings zweckmäßig, den Lebenswelten einen geeigneten Rahmen zu geben und zentrale Lebenswelten voneinander abzugrenzen, um in theoretischen Rahmenbedingungen arbeiten zu können, aber auch um in der Praxis gesamtheitlich nach Lösungen bestimmter Probleme suchen zu können. Generell stellt sich die Frage, ob sich für die Einordnung von Lebenswelten ein allgemeingültiges Schema aufstellen lässt oder diese nur in einem bestimmten Kontext zu sehen sind, in dem sie interpretiert werden können. Dies wird unterschiedlich gehandhabt. Beispielsweise unterteilt die Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e. V. die für die Marktforschung relevanten Lebenswelten zum einen in eine biografische, um die persönliche Lebensumwelt einer Person zu erfassen, und zum anderen in eine familiäre Lebenswelt, um auch private Haushalte einzuschließen. Lebenswelten lassen sich dann feiner nach Erwerbssituation, kulturellem Kontext, demografischen Faktoren (insbesondere Alter), monetären oder sozialen Rahmenbedingungen sowie familiären Strukturen und Verhaltensweisen differenzieren. Für die vorliegende Arbeit wurde den Lebenswelten ebenfalls ein vorgegebener Rahmen gesetzt. Der Fokus lag dabei allerdings weniger auf persönlichen, individuellen Umständen, unter denen die Menschen leben. Stattdessen wurde schwerpunktmäßig auf Lebensbereiche abgestellt, in denen sich die Menschen bewegen, mit denen sie sich beschäftigen und die sie für sich gestalten wollen. Das ist z. B. die Wohnung, in der sich der Bürger privat aufhält und zu Hause fühlt, und die mit der ‚Lebenswelt Wohnen‘ abgedeckt wird. Ein zentrales Thema für die meisten Menschen ist das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden, mit dem die ‚Lebenswelt Gesundheit‘ angesprochen ist. Die Möglichkeiten, sich räumlich von A nach B zu bewegen, führen die ‚Lebenswelt Mobilität‘ zusammen. Interessen und Aktivitäten im beruflichen Umfeld bilden die Lebenswelt Arbeit, das Zusammenleben in der häuslichen Gemeinschaft die Lebenswelt Familie usw. Zentrale Lebenswelten, die für gewöhnlich hohe Relevanz für die meisten Menschen besitzen, sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit, trennscharfe Strukturierung und Priorisierung (da diese letztlich subjektiv geprägt, s. o.) z. B. folgende:
1. Wohnen
2. Gesundheit
3. Mobilität
4. Arbeit
5. Familie
6. Freizeit
7. Sport
8. Urlaub
9. Kommunikation
10. Recht
11. Finanzen
12. Altersvorsorge
Innerhalb einer Lebenswelt kann weiter differenziert werden. In Freizeit und Sport (die sich vielfach überlappen) können etwa die Lebenswelten des Fußballs und des Motorrads unterschieden werden. Unter den Motorradfahrern grenzen sich viele Harley Davidson-Fahrer vermutlich mit dem Empfinden einer eigenen Lebenswelt ab. Zugleich verschwimmen Lebenswelten, wenn z. B. Arbeit und Freizeit räumlich und zeitlich nicht mehr strikt getrennt werden. Die Orientierung, in der eine Lebenswelt wahrgenommen wird, ist also ebenfalls ein wichtiger Faktor, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Aus den übergeordneten Lebenswelten stechen Wohnen, Gesundheit und Mobilität aus dem Grund besonders hervor, weil der Bürger mit ihnen permanent konfrontiert wird. Zudem betreffen diese Lebenswelten nicht nur einzelne Gruppen, sondern jeder Bürger ist von ihnen betroffen. Darüber hinaus stehen die Lebenswelten Wohnen und Gesundheit für sehr persönliche Themen und müssen daher – gerade im Hinblick auf die Nutzung von Daten – besonders sensibel gehandhabt werden. Auch die Mobilität ist sensibel, soweit aus entsprechenden Daten Bewegungsprofile abgeleitet werden können. In der vorliegenden Arbeit, die das Spannungsfeld zwischen ‚Datennutzung‘ und ‚Datenschutz‘ beleuchtet, werden daher Smart Services und verschiedene Geschäftsmodelle in gerade diesen drei Lebenswelten exemplarisch analysiert. Da es in den drei Lebenswelten Wohnen, Gesundheit und Mobilität Überschneidungen gibt, sind nicht alle für eine Lebenswelt vorgenommenen Analysen trennscharf zu denen einer anderen Lebenswelt. So sind beispielsweise smarte Assistenz-systeme für immobile Personen sowohl der Lebenswelt Wohnen als auch Gesundheit zuzuordnen.
Big Data und Data Analytics in den Lebenswelten Big Data
‚Big Data‘ steht für die Verfügbarkeit großer digitaler Datenmengen und deren technologische Auswertungsmöglichkeiten. Der Trend zu ‚Big Data‘ wird durch die zunehmenden Speicherkapazitäten und die steigende Verarbeitungsgeschwindigkeit neuer Computertechnologien getrieben und beschleunigt. Zur Charakterisierung von ‚Big Data‘ können vier Dimensionen von Kriterien herangezogen werden: Volume, Velocity, Variety und Value. Volume beschreibt ‚Big Data‘ mit der verfügbaren Datenmenge und der Maßgröße ‚Byte‘. Die jährlich generierte Datenmenge wird vor allem in den nächsten Jahren rasant wachsen. Wurden 2016 16,1 ZetaByte an digitalen Daten weltweit generiert, soll sich diese Zahl bis zum Jahr 2025 verzehnfachen. Das Kriterium Velocity steht für die Geschwindigkeit der Datenerzeugung und Verarbeitung. Die Datenvielfalt ist Gegenstand des Kriteriums Variety. Damit sind nicht lediglich unterschiedliche Dateiformate (z. B. Bilder, E-Mails, PDF, Word- Dateien, Videos etc.) gemeint, sondern auch ihr Strukturierungsgrad. Daten sind unstrukturiert, wenn sie keiner formalisierten Ordnung entsprechen. Dies ist i. d. R. bei Bildern und E-Mails der Fall. Semistrukturierte Daten weisen entweder keine fest typisierte, sondern lediglich eine versteckte Struktur auf oder sind insgesamt unterschiedlich strukturiert. Mit der Struktur sind neben den Dateiformaten, die mit der Unternehmensdatenbank kompatibel sein müssen, auch die Strukturen des Feldtypen gemeint, die eine Datei in einer Datenbank näher beschreibt. Eine weitere Einteilung differenziert in statische und dynamische Daten. Statische Daten werden einmal erfasst und liegen dann unverändert vor. Dagegen lassen sich die Merkmale von dynamischen Daten verändern und neue Informationen hinzufügen. Nach den Bezugsgrößen können Personendaten, Objektdaten und Prozessdaten unterteilt werden. Je nach Datentyp lassen sich Datenanalysen zur Generierung mehrwertiger Informationen mehr oder weniger effektiv und effizient umsetzen. Die Investitionen von Unternehmen in Informationstechnologien zur Speicherung und Verarbeitung von ‚Big Data‘ sollen sich selbst-verständlich amortisieren und den Unternehmenswert steigern. Anders ist die Sammlung, Speicherung und Auswertung von ‚Big Data‘ aus unternehmerischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. Diese Zielsetzung ist im Kriterium Value enthalten. Für die folgende Arbeit sind insbesondere maschinelle Daten relevant, die digitale Informationen enthalten. Erzeugt werden die Maschinendaten von immobilen oder mobilen und möglichst vernetzten Endgeräten, Computern und eingebetteten Systemen.
Data Analytics in den Lebenswelten
Data Analytics bezeichnet Verfahren, bei denen Daten aus verschiedenen Datenquellen extrahiert und auf bestimmte Fragestellungen hin untersucht werden. Dabei sollen Schlussfolgerungen gezogen werden, die in einem bestimmten Zusammenhang zu den analysierten Daten stehen. Häufig taucht Data Analytics im Zusammenhang mit Data Mining auf. Beim Data Mining geht es darum, neue und noch unbekannte Zusammenhänge aus Daten herzustellen. Durch die Datenerhebung und -auswertung können und sollen Mehrwerte für die Bürger in ihren Lebenswelten entstehen. Dafür werden im Rahmen der Datenanalyse zunächst Einstellungen, Verhaltensweisen und sonstige Merkmale der Bürger erfasst, um daraus ihre Bedürfnisse abzuleiten. Auf Basis der Erkenntnisse sollen Angebote ermöglicht werden, mit denen diese Bedürfnisse erfüllbar sind – und dies immer individueller. Zudem soll mithilfe von Data Analytics die Zukunft vorhersehbarer werden. Beispielsweise können zugunsten der ‚Lebenswelt Gesundheit‘ nicht nur bereits eingetretenen Krankheiten frühzeitig erkannt und schneller und damit erfolgreicher therapiert werden, sondern es eröffnen sich auch Möglichkeiten, drohende Krankheiten aufzudecken, um sie mit präventiven Maßnahmen noch abzuwenden. Generell bieten Data Analytics auch in der Forschung und Entwicklung über nahezu alle Wissenschaftsdisziplinen hinweg Potenziale zur Verbesserung der Lebensqualität. Big Data und deren Analyse haben damit die Wirkungsfähigkeit, die Lebenssituation jedes einzelnen Bürgers zu verbessern. Allerdings sind gleichzeitig die Risiken, vor allem durch fehlende Datensicherheit, nicht zu unterschätzen. Besonders die ausdrücklich vom Bürger nicht gewollte Verwendung von persönlichen Daten durch Dritte muss reguliert werden. So ist möglichst zu verhindern, dass Daten ohne Einverständnis der betroffenen Personen erfasst, individuell ausgewertet und für Eigeninteressen von Unternehmen oder beispielsweise zur politischen Beeinflussung der Bürger verwendet werden. Um möglichst viele Chancen für mehrwertige Erkenntnisse zu schaffen, ist es hilfreich, Daten unbegrenzt sammeln und auswerten zu können. Oft ergeben sich die Anwendungsfelder erst nach Mustererkennungen in Big Data, die mithilfe von Data Analytics hervorgebracht wurden und an die zuvor überhaupt nicht gedacht worden war. Eine getrennte Erhebung der Daten, beispielsweise nach Lebenswelten, ist von daher gar nicht zweckmäßig. Die größten Chancen bieten Datenpools über die Grenzen der verschiedenen Datentypen und Lebenswelten hinweg. Allerdings sieht der Datenschutz – verständlicherweise – gerade diese Form der Datenerhebung und Datenauswertung als besonders problematisch an. Insbesondere die EU-DSGVO mit den Erfordernissen der Datenminimierung gem. Art. 5 Abs. 1 c EU-DSGVO, Speicherbegrenzung5 gem. Art. 5 Abs. 1 e EU-DSGVO und Zweckbindung gem. Art. 5 Abs. 1 b EU-DSGVO beschränken die faktischen Einsatzmöglichkeiten von Big Data und Data Analytics. Mangels bislang klar abgesteckter Regelungen besteht die Herausforderung in der Praxis derzeit schon allein darin, den rechtlich zulässigen Spielraum für die Nutzung von verfügbaren Daten und deren Analyse auszuloten.
Smart Services und Geschäftsmodellentwicklungen in zentralen Lebenswelten Smart Services
verknüpfen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse, die dem Kunden als individualisiertes Gesamtangebot und ‚as a service‘ zur Verfügung stehen. Damit sind Smart Services intelligente, digitalisierte Angebote, die durch die Erhebung, Bündelung und Auswertung gesammelter Daten ermöglicht werden. Gebündelt und ausgewertet werden die Daten meist auf digitalen Plattformen, die ortsunabhängig einen übergreifenden Zugang zu den Informationen gewähren und auf denen Anbieter und Nachfrager zusammenkommen. Durch den datenzentrierten Plattform-Ansatz wird zudem das Andocken weiterer Dienste ermöglicht, die aufgrund der intelligenten Datenanalyse individualisiert und damit auf die Situation und den Bedarf des Kunden angepasst werden können. Im Mittelpunkt der Smart Services steht der Bürger mit seinen Wünschen und Bedürfnissen, die oftmals nicht durch einzelne Anbieter und deren Produkte erfüllt werden können. Zentral für nutzenstiftende Angebote in den Lebenswelten der Bürger ist daher der ganzheitliche Ansatz digitaler Ökosysteme, das sind branchenübergreifende Netzwerke von digital miteinander verbundenen Produktherstellern und Dienstleistern, die gemeinsam Smart Services generieren. Der Plattformansatz liefert hierfür die notwendige Infrastruktur und ermöglicht die Kooperationen und vernetzten Systeme. Voraussetzungen für jede Teilnahme als Zulieferer in einem solchen Netzwerk sind standardisierte, schlanke Prozesse, die Bildung von fachlichen und technischen Schnittstellen zu den Ökosystempartnern und letztlich die Akzeptanz der eigenen Austauschbarkeit, weil sich die Netzwerke der Zukunft vermutlich nicht von den Leistungen und Effizienzpositionen bestimmter Zulieferer abhängig machen wollen. Beispiele für Smart Services, die die Bürger in ihren jeweiligen Lebenswelten unterstützen, sind die innovativen datengetriebenen Angebote rund um Smart Home (Lebenswelt Wohnen), Smart Health (Lebenswelt Gesundheit) und Connected Mobility (Lebenswelt Mobilität). Im Rahmen der Verwertung solcher Smart Services auf Märkten entstehen zunehmend neue Geschäftsmodelle. Dabei ist ein Geschäftsmodell als ein Konzept unternehmerischen Handelns zu verstehen, nach dem mit einem Angebot Mehrwerte für den Kunden und ein Gewinn für den Anbieter realisiert werden können. Gegenüber analogen Geschäftsmodellen zeichnen sich digitale Geschäftsmodelle durch eine schnelle Bereitstellung von Lösungen und eine deutlich gesteigerte Umsetzungsgeschwindigkeit aus. Das heißt, dass auch Änderungen dem Kunden zeitnah bereitstehen. Als Rückkopplung bieten der einfache Kundenzugang und verbesserte Kundeninformationen wertvolles Potenzial für neue Smart Services. Geschäftsmodelle werden durch die Digitalisierung immer stärker skalierbar und sind dynamisch anpassungsfähig. Parallel steigt auch die Geschwindigkeit der Generierung neuer nutzenstiftender Produkte und immer kundenfreundlicherer Prozesse, was wiederum den Wettbewerb erhöht und die Kundenansprüche anwachsen lässt. Die Erwartungen der Kunden an individuelle Lösungen für ihre Wünsche (für die wiederum eine geeignete Datenbasis erforderlich ist) und an eine attraktive ‚Customer Journey‘ passen sich also den Entwicklungen an und erhöhen ihrerseits zunehmend den Entwicklungsdruck. Am Rande sei hier auf das Paradoxon hingewiesen, dass die Kunden immer stärker individualisierte Angebote bekommen und erwarten, wofür einerseits die Preisgabe und Nutzung von Daten erforderlich ist, andererseits aber der Datenschutz ein hohes gesellschaftliches Gewicht hat und von den Kunden ebenfalls erwartet wird. Zurück zu den Geschäftsmodellen: Eine gute Methode, um Geschäftsmodelle zu analysieren, bietet das Businessmodell Canvas. Das Business Model Canvas ist ein vom Schweizer Alexander Osterwalder entwickeltes Konzept, das zur Visualisierung und Strukturierung von Geschäftsmodellen dient. Durch den einfachen grafischen Aufbau dient es als Werkzeug, die wesentlichen Charakteristika von Geschäftsmodellen darzustellen. Es kann insbesondere dazu genutzt werden, innovative Geschäftsmodelle zu beschreiben. Der Vorteil des Business Model Canvas liegt darin, dass es universell einsetzbar und damit nicht auf einzelne Branchen oder Geschäftsbereiche beschränkt ist. Zur Erfassung und Darstellung eines Geschäftsmodells zieht das Business Model Canvas neun Kernelemente heran, deren Ausprägungen und Wechselwirkungen das Geschäftsmodell charakterisieren. Im Mittelpunkt des Business Model Canvas steht das zentrale Wertangebot an die Kunden. Es beantwortet die Frage, auf welchen Produkten und Services das Geschäftsmodell basiert, um zum einen die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen und sich auf der anderen Seite vom Wettbewerb abzuheben. Aufbauend auf dem Wertangebot werden dazu passende Kundensegmente angesprochen, die sich insbesondere in Endkunden (B2C) und Firmenkunden (B2B) unterscheiden. Darunter können jeweils auch spezielle, weiter differenzierte Kundengruppen adressiert werden. In Abhängigkeit von den Zielkunden sind die Kanäle zu wählen, die für die Kommunikation mit den Kunden und zum Absatz der Leistungen dienen. Auf deren Basis wird die Kundenbeziehung ausgestaltet, die persönlich oder automatisiert gestaltet sein kann. Da das Geschäftsmodell oftmals nicht alleine vollständig umgesetzt werden kann, ist die Zusammenarbeit mit Schlüsselpartnern, wie Lieferanten oder anderen Dienstleistern, notwendig. Mit dem Absatz der Leistungen entstehen Einnahmequellen, die wiederum je nach Produkt und Service verschiedenartig sind. Die Kostenstruktur ist außer durch die Partnerbeziehungen und deren Einnahmeerwartungen insbesondere durch die eigenen Schlüsselaktivitäten und die dafür benötigten Schlüsselressourcen geprägt, zu denen bspw. Personal, Sachmittel und eine Datenbasis gehören. Gerade die Datenbasis ist bei den innovativen digitalen Geschäftsmodellen meistens die zentrale Ressource für die Wertangebote gegenüber den Kunden. Die nachfolgend diskutierten Geschäftsmodelle rund um die Lebenswelten Wohnen, Gesundheit und Mobilität werden nach einer jeweils grundlegenden Beschreibung anhand des Business Models Canvas näher analysiert. Auch dabei wird sich zeigen, dass alle diese Geschäftsmodelle als Schlüsselressource auf eine digitale Datenbasis setzen, die für die zentralen Wertangebote benötigt wird. Zur einfacheren Lesbarkeit wurden die Quellenverweise entfernt.
Fred Wagner, Theresa Jost in: Die Big Data-Debatte; Springer, 2019
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Swiss Infosec AG; 27.10.2020
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